Wut und Zäune – so geht Europa zu Ende

Wer Europa zerstört, ruiniert auch den Wohlstand. Aber im Moment ist die Wut größer als die Vernunft.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Marine Le Pen feierte ihren Wahlsieg am Sonntag wie gewohnt mit markigen Worten: Frankreich werde wieder mit erhobenem Haupt auftreten. Und: "Wir sind dazu berufen, die nationale Einheit zu erreichen, die das Land braucht." Stolzer Nationalismus, verbunden mit dem ebenso gescheiterten Rezept einer staatlich gelenkten Wirtschaft, so stellt sich Frankreichs Rechte die Zukunft vor. Die französische, nicht die Zukunft Europas, denn Europa soll ja zerschlagen werden. Wie die sozialen Versprechungen finanziert werden sollen, fragen die Wähler nicht, sie folgen ja nicht Konzepten und Ideen, sondern ihrer Wut und Enttäuschung: Der Staat gibt keine Sicherheit mehr.

Was bringt den Franzosen ihre "Force de frappe", ihre atomare Schlagkraft, wenn in den Vorstädten die Unzufriedenheit wächst und das ganze Unheil, von der Arbeitslosigkeit bis zum Terror, plötzlich ein Gesicht bekommen hat, ein nordafrikanisches.

Sündenböcke waren stets willkommene Haustiere.

Es kommen entscheidende Monate auf uns zu. Nur mehr Monate, Jahre haben wir nicht mehr. Die ultimative Frage lautet: Gelingt es der Europäischen Union, wieder als Vereinigung von Rechtsstaaten aufzutreten, die ihren Ursprung, ihre Werte und ihr Agieren ernst nehmen und danach handeln, also sowohl Asyl gewähren, als auch ihre Grenzen schützen? Und wollen das überhaupt alle 28 EU-Staaten?

Rechtsstaat statt Scharia

Die Justizminister, die ja die Wahrer des Rechtsstaats sein sollten, haben kürzlich in Brüssel darüber diskutiert. Der Österreicher Wolfgang Brandstetter hat den Bogen so gespannt: Wir brauchen Ordnung und Menschlichkeit, müssen streng im rechtlichen und humanitär im faktischen sein. Das ist kein Widerspruch, im Idealfall sind das ergänzende Werte. Und der Justizminister appellierte, die Freiheit des Schengen-Abkommens zu wahren. Da geht es nicht nur um angenehmes Reisen für Privatpersonen, sondern auch um die Grundlage einer eng vernetzten Wirtschaft. Wenn aber diese, die ja in Europa wirklich funktioniert, zerstört wird, sind Wohlstand und Sozialstaat am Ende.

Zum Rechtsstaat gehört aber auch ein europäisches Asylrecht, weil die Nationalstaaten mit den Flüchtlingen auf Dauer einfach überfordert sind.

In der allgemeinen Unsicherheit hat Marine Le Pen gerne mit der Drohung gespielt, die Scharia, das islamische Recht,werde in Europa eingeführt. Das ist natürlich Unsinn, das weiß die Juristin selbst, aber sie genießt die Ängste der Menschen. Dagegen helfen am besten Fakten: Also die Klarstellung, dass bei uns Frauen gleichberechtigt sind, auch wenn es ein Vertreter der oberösterreichischen Muslime noch nicht verstanden hat.

Da fangen wir am besten bei den Kleinen an, in den Kindergärten und Schulen: Hinschauen, mit klaren Regeln und ebensolchen Konsequenzen. Denn der Rechtsstaat lebt auch davon, im Zweifel Zwang auszuüben.

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