Politik als Wettlauf um die bessere Parole

Das Saudi-Zentrum zeigt, woran der politische Diskurs krankt. Es geht meist um Show statt um Lösungen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Das Saudi-Zentrum zeigt, woran der politische Diskurs krankt. Es geht meist um Show statt um Lösungen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über aktuelle Debatten

Der saudische Blogger Raif Badawi wurde am Freitag nicht ausgepeitscht. Aus medizinischen Gründen, wie es hieß, aufgrund der internationalen Proteste, wie man annehmen kann. Darf das König-Abdullah-Zentrum für interkulturellen und interreligiösen Dialog nun doch bleiben? Als das Zentrum im Oktober 2011 in Wien gegründet wurde, war Saudi-Arabien dieselbe Diktatur wie heute, in der die Scharia alles und Menschenrechte nichts gelten. Trotzdem haben sich Regierung und Nationalrat für diese Einrichtung entschieden. Jetzt alle Gespräche mit den Saudis einzustellen, wird die Lage der Menschen dort nicht verbessern.

Aber die Episode sagt viel darüber aus, wie Politik und Medien vom Terror zur Auspeitschung hetzen, von der Schwulenehe zur Adoption und vom Rauchverbot im Restaurant zum Kussgebot im Kaffeehaus. Jeder hat überall eine Meinung, je aufgeregter, desto besser. Ausgepeitscht wird bei uns niemand, aber der moderne Pranger steht im Internet. Und wenn der "Shitstorm" heftig genug daherkommt, dann trifft man sich zur Demonstration vor dem Café Prückel. Dass sich die Geschäftsführerin dafür entschuldigt hat, zwei schmusende Frauen des Lokals verwiesen zu haben, reicht nicht. Außer irgendwo wird ein Baum gefällt, dann protestieren wir halt dort.

In der allgemeinen Aufregung gilt auch der Rechtsstaat Österreich nichts mehr, jedenfalls in einer wesentlich von diesem finanzierten Gratiszeitung. Dass angebliche Terroristen einen Anwalt haben dürfen, findet man dort schon empörend, dass dieser auch noch mit der Frau des Bundespräsidenten verwandt ist, überhaupt unmöglich. Da merkt man schnell, wie dünn die Tünche der Zivilisation in unserem Land ist, das erst vor 70 Jahren – gegen den Willen vieler – befreit und zu Demokratie und Menschenrechten gezwungen wurde.

Es gibt keine einfachen Antworten

Die Mechanismen laufen bei geplanten Debatten leider nicht viel anders. Ab heute soll ernsthaft über die Steuerreform verhandelt werden, hoffentlich. Das öffentliche Getöse wird eher von den Parolen wie "Millionärssteuer" und "Schutz für das Häuschen der Oma" bestimmt sein.

Die Res Publica, die öffentlichen Angelegenheiten, sind so kompliziert geworden, dass wir dringend verzögerte, differenzierte und tiefer gehende Diskussionen bräuchten. Es gibt keine einfachen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen, egal, ob wir über Zuwanderung, Gerechtigkeit, Wechselkurse oder die Veränderungen der Arbeitswelt reden. Nur Verschwörungstheoretiker tun sich da leicht, weil die kennen immer einen Schuldigen. Und Politiker, die nur auf Emotionen setzen.

Die islamistische Bedrohung ist real, wie wir gerade erleben. Aber wir werden sie nur mit Vernunft und Verstand beherrschen, nicht mit Profilierungsversuchen auf Nebenschauplätzen.

Kommentare