EU-Experte Karas schlägt TV-Freund

KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter
Es war auch eine Persönlichkeitswahl, bei der sich die EU-Abgeordneten Karas und Lunacek profiliert haben.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Sacharbeit für Europa war wichtiger als der elegante Blick in die TV-Kamera

von Dr. Helmut Brandstätter

über die EU-Wahl

Othmar Karas musste viel Häme ertragen, am kleinformatigen Boulevard, von sogenannten Parteifreunden und angeblichen TV-Experten. Und dann bringt er der ÖVP ein unerwartet gutes Ergebnis. Sicher war er zu technokratisch im Fernsehen, so ist er eben. Dafür wusste er stets, wovon er sprach. Ebenso wie die grüne Ulrike Lunacek. Auch sie konnte vermitteln, dass sie für ein besseres Europa brennt und dafür weiter ernsthaft arbeiten will. Umgekehrt konnte Angelika Mlinar die positive Stimmung für die NEOS nicht nützen. So unbeholfen darf niemand bei einer wichtigen Wahl auftreten. Und Fernseherfahrung alleine macht noch keinen Politiker. Eugen Freund hat der SPÖ nicht geschadet, genutzt hat er ihr aber auch nicht.

Die FPÖ hat zwar deutlich zugelegt, aber vom Anti-EU-Potenzial von 17,7 Prozent, das Hans Peter Martin beim letzten Mal gesammelt und jetzt heimatlos hinterlassen hatte, konnte Harald Vilimsky nur wenig einsammeln. Die Freiheitlichen waren ja in einer Ausnahmesituation. Mitten im Wahlkampf mussten sie am rechten Rand auf – und Andreas Mölzer wegräumen. Auch auf Druck von ausländischen Rechtsparteien, mit denen die FPÖ im EU-Parlament zusammenarbeiten will.

Druck auf Reformen wird größer

Es war ja ein spannender Moment im Wahlkampf, als FPÖ-Chef Strache plötzlich erklärte, er wolle die Österreicher über einen EU-Austritt befragen lassen. Strache tat dies erst nach einem großen KURIER-Interview mit der französischen Rechten Marine Le Pen, die gestern immerhin Nummer 1 wurde. Aber die Rechten wurden schwächer als erwartet und sie verbindet nur ein diffuser Protest. In vielen Fragen sind sie völlig unterschiedlicher Meinung, die erfolgreiche deutsche Euro-kritische AfD will gleich gar nicht dazu gehören.Das EU-Parlament wird also auch künftig von den beiden großen Gruppierungen, der stärkeren Europäischer Volkspartei und den Sozialdemokraten dominiert werden.

Die überwiegende Mehrheit der Wähler in Österreich will keinen Austritt, sondern eine bessere EU. Aber man kann davon ausgehen, dass das Ergebnis der EU-Wahl auch innenpolitische Auswirkungen haben wird, und zwar auf die Bundesregierung. ÖVP-Chef Spindelegger kann sich gestärkt fühlen, obwohl ja die Karas-Plakate nicht einmal vom Parteilogo geschmückt waren. Othmar Karas wird dafür keine Möglichkeit auslassen, auf seinen Anteil am Ergebnis zu verweisen.

Die SPÖ hat ihr Wahlziel, Nummer 1 zu werden, klar verfehlt. Umso mehr werden die SPÖ-Gewerkschafter Druck auf die Parteispitze machen, eine Steuerreform inklusive Vermögenssteuern durchzusetzen. Was mit einem sich gestärkt fühlenden Vizekanzler Spindelegger noch schwieriger werden wird. Der Ruf nach Reformen wird zwar überall lauter, leichter ist deren Umsetzung aber nicht geworden. Bundeskanzler Faymann wird einen Schaukelkurs zwischen Parteiloyalität und Regierungsstabilität steuern müssen. Bis zur nächsten Wahl.

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