Was für ein herrliches Leben

Doris Knecht

Doris Knecht

Unaussprechliches Glück, das uns zufällt, weil wir zufällig hierher gesetzt wurden.

von Doris Knecht

über Grün, Bäume, Frühling

Der Zug fährt durch die Steiermark, durch Niederösterreich und draußen vor dem Fenster grünt es. Schneeflecken noch auf der einen Seite, auf der anderen schon die Blüh. Und dieses frische, helle, glänzende, immer noch aus den Ästen sprießende Grün: es ist so schön, dass einem, wenn man nicht aufpasst, ein leiser Schluchzer entfahren möchte, weil man dieses Grün und das Leuchten, das es mit sich bringt, so lange so unvorstellbar vermisst hat. Weil man sich gerade gar nicht mehr vorstellen kann, wie man das Leben überhaupt ertragen konnte, ohne dieses Grün, all die dunklen Monate lang.

So eine Schönheit, und man bekommt sie einfach so, völlig umsonst, im Vorübergehen, man darf sie greifen und riechen. Einfach nur ganz normaler Frühling: Unaussprechliches Glück, das uns zufällt, weil wir zufällig hierher gesetzt wurden. Ja, was für ein Kitsch.

Aber. Es gibt zahllose Untersuchungen über die Faktoren, die dazu führen, dass manche Menschen glücklicher sind als andere, und einer kommt zuverlässig immer vor: die Fähigkeit, dankbar zu sein. Zum Beispiel dankbar zu sein, für das, was da ist, wo wir sind.

Hätte das Schicksal nur ein bisschen danebengezielt, könnten wir an einen Ort gestellt worden sein, wo es uns so schlecht ginge, dass wir alles riskierten, um mit unseren Familien von dort wegzukommen. Wir könnten im Mittelmeer treiben, mit unseren Kindern, die wir nicht mehr festhalten können, und am Festland würden die Menschen zusehen, wie wir ertrinken, weil sie fänden, so gut gehe es ihnen nun auch wieder nicht, dass sie uns helfen wollten.

Aber wir treiben nicht. Wir sitzen unter Kastanienbäumen und lauschen den Amseln, weil wir zufällig in eine sichere, stabile Welt mit einem sozialen Netz geboren wurden und mit der Möglichkeit, unsere Kinder zu ernähren und zu bilden und ihnen eine Zukunft zu bieten. Und Grün, Bäume, Frühling. Oder, um es mit Falco zu sagen: Was für ein herrliches Leben, mein Leben, dein Leben, unser Leben.

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