Nichts als Hilflosigkeit

Doris Knecht

Doris Knecht

Daneben erscheint das meiste, worüber man so schreibt, klein und belanglos.

von Doris Knecht

über menschliches Leid

Das vorherrschende Gefühl derzeit: Hilflosigkeit. Unablässig ist man mit Bildern konfrontiert, die alles, was man so sagt und schreibt, alles, worüber man sich im Alltag ärgert und kränkt, völlig nichtig machen: Ein Flugzeug zerschellt, 150 sind tot, darunter viele Kinder. Boko Haram entführt 500 Frauen und Kinder; und man erinnert sich, dass die 200 Schulmädchen, die vor einem Jahr entführt wurden, das noch immer sind. Die Bilder der Frauen in Afghanistan, die eine 27-Jährige zu Grabe tragen, die von einem Mob von Männern gelyncht wurde, weil sie – eine falsche Anschuldigung – den Koran verbrannt habe. In Griechenland übergeben Eltern ihre Kinder Waisenhäusern, weil sie sie als Folge der Wirtschaftskrise nicht mehr ernähren und behausen können. 50 Millionen Menschen sind derzeit vor Kriegen auf der Flucht; 50 Millionen, Männer, Frauen, Kinder.

Daneben erscheint das meiste, worüber man so schreibt, klein und belanglos. Man denkt, man sollte über diese wirklich wichtigen Themen und Probleme schreiben. Aber wenn man es tut, es sich sozusagen von der Seele schreibt: Ändert es etwas?

Die US-Journalistin Lindy West, eine der besten überhaupt, war letzte Woche für den Guardian bei einer TED-Konferenz: Dort sprechen Leute mit Ideen vor Leuten mit Geld. West schrieb darüber einen tollen Essay (www.theguardian.com, suche "TED") und stellt fest: "Speziell bei einer Veranstaltung, die sich so verbissen dem Optimismus verpflichtet, voller Leute mit einfachem Zugang zu einem bequemen Leben, lässt sich das Anhören einer Präsentation über menschliches Leid leicht damit verwechseln, etwas dagegen unternommen zu haben."

Das ist ein genuines Dilemma. Über etwas, das einem nahegeht, zu schreiben, es auf Facebook oder twitter zu teilen, heißt leider nicht, dass man etwas dagegen getan hat, auch wenn man danach vielleicht ein besseres Gefühl hat. In Wirklichkeit sind wir gegenüber all dem einfach nur hilflos.

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