So retten die Franzosen den Klimagipfel

French Foreign Affairs Minister Laurent Fabius attends the questions to the government session at the National Assembly in Paris April 9, 2013. REUTERS/Charles Platiau (FRANCE - Tags: POLITICS HEADSHOT)
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius zieht beim Klimagipfel alle diplomatischen Register – das könnte klappen!
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

2009 war die Enttäuschung groß, der Frust noch größer: So lange hat man sich auf den Klimagipfel von Kopenhagen vorbereitet, alle waren sie da, Obama, Putin, Barroso (wer?), Werner Faymann. Es half alles nichts, auch die Chefs konnten die Hürden nicht mehr aus dem Weg räumen, die Klimakonferenz schaffte es nicht, ein verbindliches Klimaabkommen zu beschließen, das von 2012 bis 2020 wirksam werden hätte sollen.

Nationale Prestigesache

Sechs Jahre lang wurde nun die Klima-Konferenz von Paris vorbereitet, ein Erfolg beim Klimagipfel in Frankreich zu einer nationalen Prestigeangelegenheit erklärt. Und bisher läuft alles gut.

Dazu muss man wissen, wie in etwa UN-Weltkonferenzen ablaufen. Jeder Staat – und in Paris sind 195 Vertragsstaaten präsent – hat ja ganz spezielle Vorstellungen, was erreicht werden soll, und wo die roten Verhandlungslinien sind, die sicher nicht überschritten werden dürfen.

Die ganze Welt am Verhandlungstisch

Damit überhaupt auf kleineren Tischen verhandelt werden kann, teilt sich die Welt in Gruppen ein. Die EU ist eine, dazu noch eine der wichtigsten, weil die Europäer seit Anfang an eine starke Stimme für den Klimaschutz sind.

Die AOSIS eine andere Gruppe, die Allianz der kleinen Inselstaaten. Sie haben kein politisches Gewicht, sie wissen das auch, und sie sind die ersten, die durch den Anstieg des Meeresspiegels in ihrer Existenz bedroht sind.

Die ALBA-Gruppe ist vielleicht die sonderbarste: Von Hugo Chavez gegründet, sind einige südamerikanische Staaten in einem Verbund, der „Mother Earth“ jedenfalls sofort gerettet sehen will, ohne selber etwas dafür tun zu müssen. Natürlich ist nichts gegen den Mother Earth-Gedanken einzuwenden, aber so ein partout-Standpunkt hilft in UN-Konferenzen nicht weiter. Da muss man kompromissbereit sein, und das sind die Alba-Staaten kaum.

USA, Kanada: Yeah!

Nicht an einem Strang ziehend, aber sehr mächtig, ist die „Umbrella“-Gruppe, die Schirmgruppe, in der u.a. die USA, Russland, Australien, Neuseeland, Japan und Kanada sind. Die ist etwas klima-freundlicher geworden, nicht zuletzt, weil sich die USA, aber auch Kanada mit seiner neuen Regierung rund um den neuen Polit-Popstar Justin Trudeau, aus der Ecke der Hardliner wegbewegt haben, und offenbar eine vernünftige Politik versuchen.

Und nicht zuletzt die so genannte Gruppe "G77 plus China", ein Verband aller Schwellen- und Entwicklungsländer Afrikas, Asiens und Südamerikas, derzeit 134 Staaten, von Brasilien über China bis Indien. China etwa will ja Emissionen reduzieren, aber erst ab 2030, weil, was stimmt, der pro-Kopf-Energieverbrauch noch immer gering ist, im Vergleich zu – unserem. Ganz zu schweigen von den Indern, die zuerst einmal ihren Subkontinent elektrifizieren wollen, bevor sie wesentliche Schritte zur Vermeidung von Treibhausgasen setzen wollen.

Nous sommes nous!

Was aber machen die Franzosen jetzt besser als die Dänen vor sechs Jahren?

Sie haben die Staats-und Regierungschef am Anfang der Konferenz auftreten, Maßnahmen für den Klimawandel einfordern, und wieder abreisen lassen. So viele Alpha-Tiere sind nicht gut, wenn man einen breiten Kompromiss sucht.

Und dann haben sich die Franzosen offenbar eine echte Dramaturgie überlegt, wie die Verhandlungen klappen könnten. In der ersten Woche, nachdem die Staats- und Regierungschefs weg waren, haben zuerst einmal die Fachbeamten einen Text komprimiert, der jetzt noch 47 Seiten hat, und hauptsächlich aus eckigen Klammern besteht. 940 sind es jetzt noch. Diese eckigen klammern gilt es wegzuverhandeln, darin sind Sätze formuliert, die noch nicht von allen Staaten mitgetragen werden können.

Stille Diplomatie

Am Samstag hat sich Außenminister Fabius diesen Text vorlegen lassen, nach viel offizieller und noch viel mehr stiller Diplomatie. Und dann vier Arbeitsgruppen gegründet, drei davon beschäftigen sich nur mit dem Text, mit den Wünschen der Staaten, und sie sollen ausloten, welche Kompromisse möglich wären. (Die vierte Gruppe muss sich überlegen, was bis 2020 noch geschehen soll.)

Inzwischen, seit Montag, haben die Politiker übernommen, was für Österreicher katastrophal klingt, in Wahrheit aber gut ist, weil es jetzt politische Entscheidungen braucht.

Fabius geht "in sich"

Am Mittwochnachmittag will Fabius dann aus allen Gruppen die Rückmeldungen am Tisch haben. Und dann geht die Präsidentschaft in sich, zieht sich zurück, und will am nächsten Tag einen neuen Text vorlegen, ohne Klammern, auf den sich die Staaten einigen können sollten. Und am Freitagnachmittag wird dann im Plenum alles von allen beschlossen, und wir können nachhause fahren.

Okay, an den Freitag glaubt niemand hier, besonders nicht die Verhandler. Aber wer weiß, die Sprache der Diplomatie ist seit Armand-Jean du Plessis, besser bekannt als Kardinal de Richelieu, Französisch. Ist doch ein gutes Omen.

Alles klar!

„It is decided“, sollten dann die letzten Worte von Fabius als Vorsitzender der COP21 sein. Wollen wir hoffen, dass das auch passiert.

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