Als die DDR in Wien Fußball spielte ...

Stephan Blumenschein

Stephan Blumenschein

Ich würde lügen, wenn ich schreiben würde, was ich am 9. November 1989, also am Tag des Mauerfalles in Berlin, getan habe. Ehrlich gesagt, ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Die Chance, dass ich in einem ORF-Programm dabei zugeschaut habe, wie Weltgeschichte geschrieben worden ist, ist aber ziemlich hoch.

Mehr als FS1 und FS2, so hießen ORFeins und ORF2 noch 1989, gab es damals bei uns zu Hause nicht. In meiner Heimatgemeinde Hinterbrühl war Kabel-TV noch nicht verlegt. Eine SAT-Schüssel wollten meine Eltern trotz monatelanger familieninterner Diskussionen nicht auf dem Dach ihres Hauses montieren.

Also bin ich mit österreichischem Fernsehen aufgewachsen. Vielleicht war damals auch deshalb für mich Deutschland weiter entfernt als es in Wirklichkeit gewesen und heute in Zeiten der Dutzenden deutschen TV-Programme auch in meiner Wohnung ist.

Dass es Zeiten des Umbruchs waren, hat man natürlich auch in einer beschaulichen Wienerwald-Gemeinde mitbekommen. Trotzdem: Der Mauerfall hat mich damals als gerade 19-Jährigen nur am Rande beschäftigt. Andere Dinge waren da schon viel wichtiger.

Der Herbst 1989 war nämlich nicht nur eine Zeit der weltpolitischen Neuordnung, sondern auch einer in meinem Leben. Die Matura hatte ich Anfang Juni im ersten Anlauf geschafft und deshalb die längsten Ferien meines bisherigen Lebens in vollen Zügen genießen dürfen.

Nun galt es aber wieder Ordnung in mein Leben zu bringen. Existenzielle Dinge schwirrten damals in meinem vom Schulballast entleerten Kopf herum: Was sollte ich studieren? Jus? Oder doch Publizistik? Kann man damit einmal Geld verdienen? Ja, man kann wie sich mittlerweile herausgestellt hat ...

Die DDR beschäftigte mich, den Fußball-Fan, aber im November 1989 auch abseits der großen Weltpolitik. Sechs Tage nach der Nacht der Nächte in Berlin gastierte die Nationalmannschaft der Deutschen Demokratischen Republik in Wien. Für Österreich war es das entscheidende Spiel in der WM-Qualifikation, das unbedingt gewonnen werden musste. Und dank Toni Polster wurde am 15. November 1989 österreichische Fußballgeschichte geschrieben. Mit drei Toren schoss der schon damals viel Geschmähte Österreich zur WM 1990 in Italien.

Und ich weiß noch ganz genau, wo ich das 3:0 gesehen habe. Im Kellerstüberl meines Elternhauses gemeinsam mit einem guten Freund wurde ich staunender Zeuge der Toni-Polster-Show. Und nicht nur das: Die ORF-Nachberichterstattung wurde zu einem meiner persönlichen TV-Klassiker. Die verzweifelten Versuche von ORF-Sportmoderator Peter Elstner die österreichischen Teamspieler zu Interviews zu bewegen bringen mich noch heute zum Schmunzeln.

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