Wir sind nur nett, um nicht zerhackt zu werden

Der Musiker und Autor Willy Vlautin
Willy Vlautins amerikanische Ballade wird mit "Die Freien" fortgesetzt.

Egal, ob Willy Vlautin singt oder schreibt: Seit seinem erstem Roman "Motel Life" (2005) über zwei Unglücksvögel sollte man wissen:

"Wir alle sind ein M&M in einem Mixer voller Eiscreme, und keiner von uns will klein gehackt werden. Wir tun fast alles, um nicht in Stücke gehackt zu werden ..."

Die Ballade geht jetzt weiter und heißt "Die Freien". Das ist Ironie. Sie müsste "Die Traurigen" heißen oder "Die Kranken"; und die sind bestimmt nicht frei.

Es ist ein Porträt jenes Amerikas, das größer und größer wird: Wie viele Jobs braucht der Mensch, um sich das Leben – und das Gesundheitssystem leisten zu können?

Freddie McCall arbeitet nachts in einem Behindertenheim, am Tag verkauft er Farben und Lacke, und Gärtner ist er obendrein: Marihuana-Pflänzchen im Keller brauchen Licht und Wasser.

Er hat eine behinderte Tochter, die Schulden für Spital, Medikamente, Heilgymnastik sind enorm.

Die Krankenversicherung von 700 Dollar monatlich hat er gekündigt, weil es nur Streit gab, welche Kosten gedeckt sind.

Schützlinge

Im Heim, in dem er Nachtdienste schiebt, liegt der 25-jährige Leroy Kervin. Er war Soldat im Irak.

Als er in der Nähe einer explodierenden Bombe war, erlitt er ein Hirntrauma. Seither weint er und ist abwechselnd aggressiv. Einen selbstmörderischen Sprung im Heim überlebt er.

In dem Krankenhaus, in das er gebracht wird, arbeitet Schwester Pauline, die Dritte, um die sich der Musiker und Schriftsteller Vlautin – geboren in Nevada – kümmert. Er drängt uns seine Schützlinge nicht auf. Man wird sie sehr mögen.

Und man wird merken, wie wichtig dieser Autor ist.

Pauline hat einen alten Vater, der für Gas und Strom nicht zahlen kann; und um das Leben einer drogenabhängigen Frau kämpft sie. Rendezvous hat sie – mit ihrem Kaninchen vor dem Fernsehapparat.

So sehr der Roman amerikanisch ist, so sehr ist auch "unser" Georg Danzer zu hören: "Sei immer höflich, sei immer nett, hat schon die Mutter mir gesagt ..."

Das sind die drei.

Wie lange noch?

Willy Vlautin:
„Die Freien“
Übersetzt von Robin Detje.
Berlin Verlag. 320 Seiten. 22,70 Euro.

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