Welcher Zwilling ist Terrorist?

Norbert Gstrein lebt in Hamburg
"In der freien Welt" von Norbert Gstrein: Wie man in den Nahostkonflikt involviert wird ...

Da hat jemand Großes vor. Es wird kaum kleiner, wenn Norbert Gstrein die Gelegenheit nutzt, um "In der freien Welt" nebenbei über das Tantenhafte im Kulturleben herzuziehen.

Sieht ja wirklich so aus, als würde man ausländischen Stars Punschkrapferln in den Mund stecken, damit vergessen wird, was Österreich sonst noch war (und ist) außer puderzuckrig.

Warum Gstrein ausgerechnet die kulturellen Aktivitäten in Gmunden attackiert, ist nicht bekannt.

Und auch damit provoziert der Tiroler: Sein Erzähler namens Hugo findet es entbehrlich, wenn Daniel Barenboim "für den Frieden" mit palästinensischen Kindern und israelischen Kindern, hübsch anzusehen sollen sie sein, Musik macht.

Leben wollen alle, und leben sollen alle, und kann man das bitteschön endlich managen?

(Naiv sein ist gestattet, sogar erwünscht, denn mit Hirn ist ja nichts weitergegangen ...)

Hugo ist – wie Gstrein – Mathematiker und Schriftsteller. Als in Kalifornien sein amerikanischer Freund John stirbt, sucht er ihn – er will ihm näherkommen.

Ein armer Dichter war John, Sohn einer Holocaust-Überlebenden, vier Mal war er verheiratet, Schlittenhund in Alaska wäre er gern gewesen.

Zwei Reisen

War John "kein schlechter Mensch" oder "ein guter Mensch?" Schon darüber hätte man eine Geschichte schreiben können.

Aber weil John Jude war und freiwillig im Gaza-Streifen gekämpft hat und sogar zuletzt, mit über 60, darum gebeten hat, wieder Soldat sein zu dürfen... und weil er auf offener Straße erstochen wurde (von Palästinensern?), deshalb bekommt der Roman ein anderes Gewicht. Spannend wird er dadurch nicht. Aber zur interessanten Diskussion wird er.

Hugo reist nach Amerika. Er findet Bilder, die der Freund gemalt hat. Eines zeigt Zwillinge, die einander das Gesicht wegreißen:

Wer ist der Terrorist?

Hugo reist nach Israel und hört beiden Seiten zu. Hier bedient sich Norbert Gstrein der Hilfe eines "echten" Journalisten :

In Tel Aviv spielt Roy Isacowitz mit, der das zionistische Experiment für gescheitert hält – "Wir haben ihnen ihr Land weggenommen und können nicht verlangen, dass sie uns lieben."

Manch böses Wort fällt, es gibt keine Gebrauchsanleitung. Nur Applaus, wie der Autor seine Leser involviert.

Norbert Gstrein:
„In der freien Welt“
Hanser Verlag.
496 Seiten.
25,60 Euro.

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