Oper: Packende "Walküre" in München

Oper: Packende "Walküre" in München
Der neue "Ring des Nibelungen" an der Bayerischen Staatsoper könnte ein Juwel werden. Nach "Rheingold" wurde auch "Die Walküre" zum Erfolg.

Es gibt keinen perfekten "Ring" – auch wenn das die Innung der Goldschmiede möglicherweise   anders sieht. Zu viel kann im Verlauf einer Neuproduktion der Tetralogie von Richard Wagner schiefgehen.
Der Münchener "Ring", der  soeben an der von Nikolaus Bachler geleiteten Bayerischen Staatsoper  entsteht, dürfte sich aber zumindest szenisch zu einem der faszinierendsten unserer Tage entwickeln. Diese Prognose lässt sich nach der Premiere der "Walküre" treffen.

Regisseur Andreas Kriegenburg hat den gigantomanischen Aufwand der New Yorker MET (Inszenierung: Robert Lepage), die eine Zigmillionen teure Stahlkonstruktion für ihren   "Ring" bauen ließ, nicht nötig, um sein tragisches Weltendrama zu erzählen.  Auch die technischen Effekte der Mailänder Scala (Guy Cassiers) wirken im Vergleich zur Inszenierung von Kriegenburg wie eine oberflächliche Behübschung.
Die Münchener Produktion ist, wie jene an der Wiener Staatsoper (Regie: Sven-Eric Bechtolf), sehr am Text orientiert und präzise in der Personenführung – mit dem Unterschied, dass sie Wagners Geschichte nicht nur buchstabiert, sondern auf eine Meta-Ebene hebt. Eine solche "Walküre" würde man sich in Wien optisch wünschen.
Aber warum diese Vergleiche der größten deutschen Opernbühne mit den anderen Theatern? Weil sich die wichtigsten Musikzentren wieder einmal am aufwendigsten Werk der Operngeschichte abarbeiten, um startbereit für das Wagner-Jahr 2013 (200. Geburtstag des Komponisten) zu sein.

Als Letztes kommt übrigens Bayreuth im Sommer 2013 dran. Mit Frank Castorf als Regisseur. Ein Projekt, das der konservativen Wagner-Gemeinde schon jetzt Kopfzerbrechen macht.

Blutig

Aber bleiben wir in München, wo Kriegenburg  beweist, wie packend und zeitgemäß eine im Grunde sehr traditionelle Inszenierung sein kann. Er erzählt mit einfachen Mitteln auf der zumeist fast leeren Bühne (Harald B. Thor), die auf unterschiedlichen Ebenen bespielt wird, eine blutige Geschichte von Krieg und Gewalt, von der Ohnmacht der Mächtigen, von der Getriebenheit der sogenannten Helden und der Fremdbestimmtheit der Masse.
Seine bemerkenswertesten Kunstgriffe: Hundings Haus ist diesmal ein Leichenhaus, in dem die Toten von Frauen gewaschen werden. Auch in der Esche, in die Wotan das Schwert stieß, hängen leblose Körper.

Im zweiten Aufzug flüchten Siegmund und Sieglinde über ein von Leichen übersätes  Schlachtfeld. Der dritte Aufzug beginnt mit dem choreografisch darstellten Walkürenritt, mit Tänzerinnen als schnaubende Pferde. Erst nach Minuten setzt die Musik ein. Das war dem Premierenpublikum zu viel – es gab empörte Zwischenrufe.
Die Lesart von Kent Nagano am Pult des Bayerischen Staatsorchesters ist nicht ganz so intensiv und mehr auf Präzision denn auf Emotion ausgerichtet. Die fabelhaften Musiker setzen Wagners Partitur aber klangvollendet, ausbalanciert, dynamisch um. Eine Topleistung!

Die Sängerbesetzung ist famos (wenn auch nicht singulär wie an der MET mit Jonas Kaufmann und Bryn Terfel). Klaus Florian Vogt ist ein erfreulich lyrischer Siegmund, der etwa die "Winterstürme" so schön wie ein Schubert-Lied singt. Dass manche Attacke, etwa bei den "Wälse"-Rufen, nicht sehr kraftvoll ausfiel, passt ins Bild eines kultivierten Tenors. Anja Kampe ist eine Sieglinde von großer Intensität mit exzellenter Höhe, Katarina Dalayman eine dramatische, aber nicht allzu schrille Brünnhilde, Ain Anger ein mächtiger, gefährlicher Hunding.
Grandios ist Sophie Koch als Fricka: Endlich versteht man, warum Wotan dieser Frau keinen Wunsch abschlagen kann. Den Göttervater gibt Thomas J. Mayer (anstelle des erkrankten Juha Uusitalo): mit kultiviertem Bariton und noblem Timbre. Er ist ein Wotan, der diese Partie bis zum Finale wortdeutlich singt und nie brüllt. Sein Abschied von der Tochter zählt zum Berührendsten, das man im Wagner-Fach zuletzt gesehen und gehört hat.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Fazit: Jubel für Wagner am Ort der Uraufführung

Das Werk
Richard Wagners "Walküre". Der erste Tag des " Ring des Nibelungen" (nach dem Vorabend "Rheingold") wurde 1870 im Münchener Hof- und Nationaltheater uraufgeführt – auf Anweisung von König Ludwig II. und gegen den Willen Wagners. 1876 wurde die ganze Tetralogie in Bayreuth aufgeführt.

Die Produktion
Dirigent Kent Nagano wurde vom Publikum ebenso gefeiert wie die Protagonisten. Die Regie (Andreas Kriegenburg) spaltete das Publikum – sie ist intensiv und musikalisch. Am 27. Mai folgt "Siegfried", am 30. Juni "Götterdämmerung".

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