Joachim Meyerhoff: Theater mit Brustwarzen

Joachim Meyerhoff als "Danton" im Burgtheater
Der dritte Teil pendelt zwischen Schauspielschule und Großeltern.

Joachim Meyerhoffs Romane, die so stark autobiografisch anmuten, sind nur im Kern wahr.

Er erinnert sich, und dabei erfindet er sich, und das ergibt dann Theater.

Theater zwischen Kammerspiele und Josefstadt.

Zwischen Klamauk und bissl Nachdenken, übers Altwerden z. B..

Der deutsche Schauspieler – am Schauspielhaus in Hamburg engagiert und am Burgtheater in Wien – las erstmals schon Anfang des Jahres aus seinem Manuskript vor, um die Wirkung beim Publikum zu testen und etwaige Änderungen vorzunehmen.

Erst danach bekam das Lektorat "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" – den neuen, den dritten Band seiner "Alle Toten fliegen hoch"-Serie.

Vermutlich hat Meyerhoff jene Stelle nicht vorgelesen, an der er sich als "unmusikalischer Knollenblätterpilz im Pilzragout der Melodien" beschreibt.

Sonst hätte es doch wohl einen Entsetzensschrei geben müssen – gänzlich unmelodiös, aber laut ... und die scheußliche Schwammerlsauce wäre aus dem Buch entfernt worden.

Effi Nilpferd

Seit Meyerhoff erzählt hat, wie zappelig er als Kind war, dass sich alles in ihm geschüttelt hat, wird man dieses Bild nicht mehr los:

Die Mutter setzt den kleinen Joachim auf die laufende Waschmaschine, und dort vibrierten sie beide.

Szenen, die sich einbrennen, wird man auch im neuen Buch finden.

Joachim Meyerhoff ist 20 und wird Schauspieler. (Heute ist er 48, aber DAMALS, als er in der Münchner Falckenberg-Schule aufgenommen wurde, war er 20.)

Ein Zitat:

"Ich hatte in meinem Leben kein einziges Theaterstück freiwillig gesehen, und die wenigen Male, die ich im Theater gewesen bin, hatten mich zu Tode gelangweilt."

Erste Aufgabe:

Er soll einen Text aus "Effi Briest" wie ein Nilpferd vortragen; wobei die Seele des Nilpferds zu berücksichtigen ist. Logisch :)

Meyerhoff geht zum Hellabrunner Zoo. Um ein Nilpferd zu observieren. 1987 kostet der Eintritt 17 Mark. Das ist zu viel, er ist Student, hat aber am ersten Tag noch keinen Ausweis ...

"Na gut, da nehm ich dann halt nur einmal Nilpferd."

"Was, bitte?"

Er verliert den Streit an der Kassa; und sieht danach vom Nilpferd nur die wackelnden Ohren: Es ist auf Tauchstation gegangen.

Aber der Tiergarten sperrt sowieso gleich zu.

– und jetzt der Wechsel zu den Großeltern. (Es geht ständig hin und her.) Bei ihnen wohnte Meyerhoff.

Liebeling schubst

Seine Großmutter war die Schauspielerin Inge Birkmann, die zu ihm immer sehr fein "Liebeling" sagte.

Sein Großvater war der Philosoph Hermann Krings – er schenkte dem Enkel mit großer Freude seinen Wollpulli, den er 1964 zwischen zwei Vorlesungen in Saarbrücken gekauft hatte.

Abends ist Meyerhoff meist so voll wie die zwei rund 80-Jährigen, die sich nach Whisky, Rotwein und Cointreau auf den Boden legten – wie Tote, selbst wenn Besucher da waren! – und Musik hörten. Am liebsten hörten sie Grieg. Und weil die Peer- Gynt-Platte viele Kratzer hatte, stand "Liebeling" bereit und gab der Nadel einen Schubs ...

Joachim Meyerhoff wurde in der Schule auch dazu aufgefordert, mit den Brustwarzen zu lächeln. Wenn man ihn heute auf der Bühne erlebt, sieht es sehr danach aus, als hätte er’s gelernt.

Seine alte Lehrerin sorgte dafür, dass er locker bleibt: Sie legte ihm die Hand auf seinen Jeans-Hintern, drückte auf die Poritze:

"Mach das Löchlein weit!"

Das also ist das Rezept für einen guten Schauspieler – und für ein sehr unterhaltsames Buch.

Joachim
Meyerhoff:
„Ach, diese
Lücke, diese entsetzliche Lücke“
Kiepenheuer & Witsch.
288 Seiten. 22,70 Euro.

Kommentare