Wien: Grätzl-Polizist als Hoffnungsträger

Straßendealer verunsichern die Bevölkerung zutiefst.
Ab 1. August gehen 80 Beamte vorerst in acht Bezirke, und dienen als Anlaufstelle für Bürger.

Polizei und Stadtregierung haben in Wien ein Kommunikations- und Glaubwürdigkeitsproblem. Denn trotz sinkender Kriminalität (in den meisten Deliktsparten) fühlen sich immer mehr Bürger subjektiv unsicher. Jetzt will die Exekutive näher zu den Wienern rücken. Bürgermeister Michael Häupl, Landtagspräsident Harry Kopietz und Vize-Polizeipräsident Karl Mahrer präsentierten am Mittwoch im Rathaus ein neues, bürgernahes Sicherheitskonzept.

Gestartet wird das Projekt ab 1. August in den Bezirken 12, 13, 16, 17, 18, 19, 22 sowie 23. Als Fundament gelten Beamte in den 14 Stadtpolizei-Kommanden, die als Sicherheitskoordinatoren eingesetzt werden. An der Basis agieren pro Bezirk – je nach dessen Größe – ein bis zwei Grätzl-Polizisten. Sie dienen als direkte Ansprechpartner für besorgte Bürger.

Kriminalität rückläufig

General Mahrer erklärt: "Die Bevölkerung der Stadt wuchs in den vergangenen zehn Jahren um zwölf Prozent. Die Kriminalität ging aber um zehn Prozent zurück. Betreffend subjektivem Sicherheitsgefühl müssen wir nachjustieren."

Wien: Grätzl-Polizist als Hoffnungsträger
Karl Mahrer, Michael Häupl und Harry Kopietz bei der Präsentation des neuen Sicherheitskonzeptes am 13.07. im Wiener Rathaus. Gestartet wird das Projekt ab 01.08.2016.
Durch Aushänge in Häusern, Inserate in Bezirkszeitungen sowie Bekanntmachungen in Wachzimmern werden sogar die Telefonnummern der Kontakt-Beamten verlautbart. Mahrer in Detail: "Sollten die Kollegen auf Streife sein oder frei haben, garantiere ich, dass vom Wachzimmer ein Rückruf erfolgt. Kontakt wird auch in sozialen Medien möglich sein."

"Jede Menge geredet"

Stadtchef Häupl setzt große Hoffnungen in die Strategie: "In der Vergangenheit wurde zum Thema Sicherheit jede Menge geredet. Jetzt präsentiert die Stadt Maßnahmen." Nachsatz: "Viele Probleme sind von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich. Seriöse Polizeiarbeit ist schwieriger geworden." Die 80 Kontaktbeamten nehmen die Bürgerbedenken und Anregungen auf und reichen sie an ihre Sicherheitskoordinatoren weiter. Diese wiederum informieren die Bezirkspolitik und/oder die zuständigen Magistrate.

Wien: Grätzl-Polizist als Hoffnungsträger

Auch Harry Kopietz sieht eine neue Qualität in der Kampagne: "Das Konzept garantiert weiters Präventivarbeit im Grätzl. Und wir sind froh über die Ehrlichkeit der Bürger. Denn wir wollen wissen wo der Schuh drückt." Die ersten acht Bezirke wurden ausgesucht, weil hier bereits Projekte, etwa gemeinsam mit Schulen und anderen Institutionen erfolgreich laufen. Kopietz: "Darauf lässt sich aufbauen."

Montag startet die Ausbildung der Ersten Grätzl-Polizisten. Laut Vize-Polizeichef Mahrer werden jüngere Beamte in der neu formierten Grätzl-Einheit bevorzugt eingesetzt. Augenmerk wird auch auf die – in einigen Bereichen Wiens noch immer bestehende – Sprachbarriere geworfen. Denn ohne gemeinsame Sprache wird das Projekt den gewünschten Erfolg nicht erreichen. Mahrer dazu: "Wir arbeiten an der Mehrsprachigkeit unserer Beamten. 2007 hatte die Wiener Polizei einen Migrantenanteil von 0,7 Prozent. Bis dato sind es bereits sechs Prozent."

Eine repräsentative Umfrage, durchgeführt von den "Helfern Wiens" zeigte, dass subjektive Unsicherheit keine Einbildung ist (siehe Grafik). Denn Menschen die von einer Straftat betroffen waren, deren Familienmitglieder, Verwandte, Freunde oder Nachbarn fühlen sich wesentlich weniger sicher als Menschen die mit Kriminalität nicht in Berührung kamen.

Sind die Zahlen der Polizeispitze korrekt, dann wuchs die Wiener Bevölkerung in der vergangenen Dekade um zwölf Prozent, die Kriminalität ging parallel dazu um zehn Prozent zurück. Ein Erfolg der Exekutive. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen wie Migrationsdruck, Grenzöffnung, Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit im Volk. Wien ist im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen noch immer eine Wohlfühloase. Trotz dieser Erfolgsstory fühlen sich immer mehr Bürger subjektiv unsicher. Und die Wiener formulieren ihre Ängste: In sozialen Medien, bei Bürger-Diskussionen in den Bezirken, mittels Mails an Medien und bei biergetränkten Gesprächen am Stammtisch. Einer der Gründe ankert darin, dass die Polizei den Kontakt zum Volk völlig verloren hat. Lieber einen Täter stellen als eine Tat verhindern, so das Motto. Jetzt reagiert die Chefetage der Exekutive und belebt den Grätzl-Polizisten. Er soll Anlaufstelle in sensiblen Gegenden sein. Kein wirklich neuer, aber ein sympathischer Zugang, um für subjektive Sicherheit zu sorgen.

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