Weinlese in Wiens kleinstem Weingarten
Der milde Winter, das trockene Frühjahr und der verregnete Sommer machen 2014 zu einem schwierigen Weinjahr. Dennoch schritt der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) am Donnerstag in grüner Winzerschürze unverzagt zur traditionellen Weinlese im kleinsten Weingarten der Stadt am Schwarzenbergplatz. Rund 60 Rebstöcke stehen hier, sie produzieren 50 bis 60 Flaschen klassischen Gemischten Satz.
Übung hat der Bürgermeister nicht nur aus den vergangenen Jahren, sondern vor allem aus seiner Jugend. "Als Schüler haben wir uns am Wochenende bei der Weinlese ein bisschen Geld dazu verdienen können. Seit der Zeit mache ich das schon, deshalb kann ich es auch einigermaßen", berichtete das Stadtoberhaupt.
Um den heurigen Wein sorge er sich jedenfalls nicht: "Ich fürchte, es wird ein bisschen wenig werden, weil durch das nasse Wetter sehr viele Trauben verfault sind. Aber qualitativ wird er sicherlich ganz gut." Darauf können sich die freuen, die eine der wenigen Flaschen ergattern: Sie werden jährlich zugunsten der Aktion "Licht ins Dunkel" versteigert.
Vielleicht hilft auch der Segen von oben beim Geschmack: Immerhin gingen dem Bürgermeister nicht nur der Geschäftsführer der Weingüter Mayer am Pfarrplatz und Rotes Haus, Gerhard Lobner, sondern auch Dompfarrer Toni Faber bei der Lese zur Hand. "Hier wächst ein klassischer Gemischter Satz, wo ich teilweise nicht einmal die Rebsorten kenne, weil es schon ein sehr alter Weingarten mit alten Weinsorten ist", meinte Lobner.
Der Unterschied des kleinen "Vorzeigeweingartls" zu den großen? "Er macht viel viel mehr Arbeit und ist eher Hobby und Leidenschaft als wirklicher Weinbau", erklärte der Weingut-Chef. Mit dem großen Geschäft zeigte er sich jedoch auch zufrieden, durch die schönen Herbsttage der vergangenen Wochen habe man bereits 60 Prozent geerntet. "Qualitativ sind wir sehr zufrieden, quantitativ ist es ein sehr kleiner Jahrgang, weniger als wir erwartet hätten", so Lobner.
In Wien bewirtschaften 190 Winzer 661 Hektar Land, auf circa 80 Prozent davon wird Weißwein gepflanzt. Laut einer Schätzung von September wird die Ernte heuer 1,83 Millionen Liter betragen, das ist gegenüber dem Fünf-Jahres-Durchschnitt von 2,09 Millionen Liter ein Minus von zwölf Prozent.
Österreichs Weinernte bleibt hinter den Prognosen zurück. Von 2,5 Millionen Hektolitern Ertrag war man Branchen-intern Anfang September noch ausgegangen. Doch nachdem auf den verregneten Sommer weitere Niederschläge folgten, führt Fäulnis zu teilweise massiven Ernteausfällen. Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager schätzt, dass sich der bundesweite Ertrag zwischen zwei und 2,2 Millionen Hektoliter einpendeln wird.
Mit Preiserhöhungen sei nicht zu rechnen, meinen Experten. Gerade beim Weißwein könnten die schwierigen Ernte-Verhältnisse sogar einen Vorteil für die Konsumenten darstellen.
Lese bis November
Besonders schwierig stellt sich die Situation für die Winzer im burgenländischen Seewinkel sowie in der Steiermark dar. Bei einzelnen Sorten, wie etwa dem Gelben Muskateller, gibt es heuer bis zur Hälfte weniger als im Vorjahr. Die steirische Paradesorte Sauvignon Blanc habe die massiven Niederschläge dagegen besser verarbeitet und sei "relativ stabil", sagt Schmuckenschlager.
Im Gebiet Neusiedlersee neigt sich die Weinlese dem Ende zu. "Man darf sich auf fruchtige Weißweine mit feiner Säurestruktur freuen, aber mit einem deutlichen Minus", sagt Wein-Burgenland-Chef Christian Zechmeister.
Fruchtige Rote
Die Blaufränkisch-Lese im Mittelburgenland ist voll im Gange. "Mit bis zu 30, 40 Prozent weniger Ertrag müssen wir rechnen", sagt Albert Gesellmann aus Deutschkreutz. Dennoch zeigt er sich optimistisch: "Die Lese ist besser als erwartet. Mit einem fruchtigen Blaufränkisch rechnen wir."
Hauptanteil an der österreichischen Weinernte hat Niederösterreich. Statt der erhofften 1,6 Mio. Hektoliter Erntemenge dürften heuer "bloß" 1,4 Mio. in die Keller kommen. Vom Grünen Veltliner gibt es bis zu 20 Prozent weniger als 2013.
Konkrete Vorhersagen sind schwierig. Denn während in Carnuntum, in der Thermenregion und in Großteilen des Weinviertels die Lese so gut wie abgeschlossen ist, warten die Winzer im Kremstal oder in der Wachau noch zu. Um den Trauben die für hochkarätige Weine – in erster Linie Grüne Veltliner und Rieslinge – notwendige physiologische Reife und höhere Zuckergrade zu ermöglichen, wird erst Ende Oktober oder gar erst im November gelesen. Smaragde bzw. Reserven werde es sicher geben, bloß nicht in großen Mengen, heißt es.
In Wien, wo Hagelunwetter im Sommer vor allem am Nussberg für schwere Schäden sorgten, hatte man quasi Glück im Unglück. "Weil der Hagel die Weingärten massiv ausdünnte, hängen die Trauben lockerer. Deshalb haben wir nicht so viel Fäulnisdruck wie anderswo", erläutert Winzer Gerhard Lobner vom Weingut Mayer am Pfarrplatz. Die Qualität der Weine – allen voran der Gemischte Satz – sei angesichts der Umstände "überraschend gut". Auf Grund des Hagels sei je nach Lage aber mit 25 bis 30 Prozent Einbuße zu rechnen.
Leichte Weißweine
In zwei Punkten sind sich Branchenkenner einig. Erstens: Auch wenn es weniger Wein gibt, werde die Bouteille abgesehen von der Inflationsanpassung kaum teurer. Und zweitens: Die Qualität leide nicht – zumindest nicht beim Weißen.
Da bei der Ernte etlicher Sorten nicht die Spitzenreife erreicht wurde, wird der 2014er-Jahrgang weniger Alkohol haben – sprich: eher trinkanimierend sein. "Wir erwarten duftige, aromatische Weißweine", sagt Gerald Kneissl, Leiter des Weinbau-Referats bei der nö. Landwirtschaftskammer.
Bei den Roten zeichne sich der Jahrgang durch "eine enorme Farbintensität und Fruchtigkeit" aus, sagt Schmuckenschlager. Zu schweren, wuchtigen Geräten werde es aber nicht reichen. Vom Zweigelt sei etwa ein Viertel weniger da als im Vorjahr.
Kommentare