Oligarch Firtasch wird nicht an USA ausgeliefert
Ein breitschultriger Anzugträger bringt noch rasch einen Tisch für die Mineralwasserflasche des Oligarchen in den Schwurgerichtssaal. Minuten später schreitet Dmitri Firtasch durch die Tür, begleitet von Leibwächtern, vorbei an einem Heer aus Journalisten aus Österreich, Russland, der Ukraine und den USA. Das Mineralwasser war da schon serviert.
Das Wiener Landesgericht hatte am Donnerstag zu entscheiden, ob der milliardenschwere, ukrainische Oligarch an die USA ausgeliefert wird. Am Abend fiel dann die Entscheidung: Dimitri Firtasch wird nicht an die USA ausgeliefert, mit der Begründung, dass das Auslieferungsbegehren der USA gegen den ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch "auch politisch motiviert" sei. Das Gericht stellte weiters in seiner Urteilsbegründung fest, dass bestimmte Unterlagen von den USA nicht übermittelt worden seien. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde ein.
Komplexer Fall
Die Causa ist juristisch komplex: Ein US-Bezirksgericht bei Chicago wirft dem 49-Jährigen vor, in Indien Amtsträger mit 18,5 Millionen Euro bestochen zu haben, um an Lizenzen für den Abbau von Titan zu kommen. Und er soll eine Person bedroht haben.
Im Vorjahr nahm ein Spezialkommando Firtasch, dessen Unternehmensholding in Wien angesiedelt ist, fest. Kurz darauf legte sein Geschäftspartner mit 124 Millionen Euro die höchste je in Österreich entrichtete Kaution auf den Tisch.
Die schillernde Figur blieb im Zeugenstand wortkarg. "Nein", er wolle nicht ausgeliefert werden. "Ich lasse meine Anwälte sprechen."
Juristen-Armada
Und die hatten viel zu sagen: Die Verteidigerbank war personell und inhaltlich aufmunitioniert, wie es in der Justizgeschichte wohl bisher nicht zu sehen war. Anwalt und Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer referierte über Firtasch, und wie er in den Fokus der USA gekommen sein soll. Der Ukrainer ist groß im Geschäft und gut vernetzt in der Politik (siehe Zusatzbericht). Der 49-jährige Ukrainer gilt als Prototyp eines Oligarchen – die obligatorische Kreml-Nähe inklusive. Im Gas-, Chemie- und Titan-Geschäft schuf er ein laut Schätzungen zehn Milliarden Euro "schweres" Imperium. Im gehören acht Fernsehsender. Und er sei laut Böhmdorfer "kein Unterstützer einer US-freundlichen Politik" in seiner Heimat. Böhmdorfers Fazit: Firtasch soll "zur Kooperation (mit den USA, Anm.) gezwungen werden". Dies seien "keine stimmungsbezogenen Vorwürfe", sondern "Fakten".
Böhmdorfer nannte sechs Gründe, weshalb die Auslieferung unberechtigt sei, die dann von Anwälten in jeweils eigenen Plädoyers präzisiert wurden. Von "politischen Motiven" über "manipulierte Vorwürfe" bis hin zu Verstößen gegen das Völkerrecht war die Rede. Böhmdorfer: "Jeder Punkt macht eine Auslieferung unzulässig."
Auffälligkeiten wies das bisherige Verfahren jedenfalls auf: So zogen die USA das Festnahme-Ersuchen zurück, um es Monate später zu erneuern. Außerdem blieb die US-Justiz dem österreichischen Richter Antworten auf mehrere zentrale Fragen schuldig.
Dmitri Firtasch durfte nach seiner Enthaftung Österreich nicht mehr verlassen. Ein Urteil steht noch aus.
Auf die Frage, ob er in Österreich einen Partner oder doch eher ein Risiko sehe, antwortete der ukrainische Premier Arseni Jazenjuk zuletzt: „Ich wäre glücklich, in Österreich einen Partner zu sehen.“ Will heißen: Österreich ist ein Risiko für Kiew. Wien ist für eine eher weiche Linie gegenüber Russland, hat Kremlchef Putin empfangen und sich sehr lange Zeit genommen, um über Dmitri Firtasch zu entscheiden. Ein Unternehmer, der in der Ukraine vermutlich gleich nach der Einreise in Haft genommen werden würde. Dass er in Wien auf Kaution frei kam, um sich als Erneuerer der Ukraine zu positionieren, nimmt man Österreich in Kiew übel.
„Miliardendiebstahl“
Wohl kaum zufällig beschlagnahmte ein Kiewer Gericht am Vorabend von Firtaschs Verhandlung über eine Auslieferung an die USA 500 Millionen Kubikmeter Gas von einer Firmengruppe Firtaschs. Jazenjuk sprach von einem mutmaßlichen „Milliardendiebstahl“. Zugleich ermittelt die ukrainische Staatsanwaltschaft wegen dubioser Geschäfte um den ukrainischen TV-Sender Inter und wegen hoher Überweisungen an einen russischen TV-Sender. Firtaschs Nadra-Bank wurde von der ukrainischen Nationalbank für zahlungsunfähig erklärt und unter Zwangsaufsicht gestellt. Das Titan-Magnesium-Werk in Saporischschja, das er über ein Joint-Venture praktisch aus Staatseigentum gelöst hatte, wurde ihm abgenommen. Auch mehrere Pachtverträge wurden für ungültig erklärt.
Vor allem unter Ex-Präsident Janukowitsch und mit dem Leiter von dessen Präsidentschaftskanzlei, Serhij Ljowotschkin, als Geschäftspartner baute Firtasch ein riesiges Imperium auf. Es ist genau diese Nähe, die Kritiker an der Ehrlichkeit seiner Geschäfte zweifeln lässt. Ihm werden auch beste Kontakte zu Putin nachgesagt. Wien ist für Firtasch dabei eine Basis in einem kaum überschaubaren Firmengeflecht, das sich vor allem über Zypern und die britischen Virgin Islands erstreckt.
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