Sommererwachen an Wiens Riviera

Die Sonne scheint – und die Lokale am Donaukanal sind wieder gefüllt. In Bälde soll es beim Tel Aviv Beach große Ventilatoren geben, die die Gäste an heißen Tagen abkühlen.
An schönen Tagen füllt sich der Kai: Mit Flaneuren, Kletterern, Sprayern – und Partyvolk.

Den Spritzer in der Hand und die letzten Sonnenstrahlen des Tages im Gesicht – mehr braucht es zum Entspannen nach einem langen Arbeitstag nicht, findet Grafikerin Anja. Sobald es die Temperaturen zulassen, zieht es die 40-Jährige jedes Jahr an den Donaukanal.

Und sie ist nicht die Einzige: Gegen halb acht Uhr abends sucht man in den Dutzenden Lokalen entlang des Flussarms oft lange nach freien Plätzen; selbst auf dem Boden am Kai sitzen die Besucher dicht gedrängt. In den vergangenen Jahren hat sich das 1,7 Kilometer lange Kanalufer von der Spittelau bis zur Franzensbrücke als beliebter Erholungs-Platz etabliert.

Während Ende der 90er der Musikclub Flex beinahe der einzige Grund war, den Kanal aufzusuchen, gibt es nun eine breite Palette an Lokalen. An heißen Tagen sind bis zu 40.000 Besucher am Kanal unterwegs, sagt Donaukanal-Koordinator Bernhard Engleder: "Seit der Errichtung der ersten neueren Lokale, wie dem Adria Wien, hat sich die Zahl der Besucher verzehnfacht."

Neuheiten

Das zieht weitere Gastronomen an: Erst kürzlich eröffnete gleich neben dem Badeschiff das Barbecue-Lokal "Big Smoke". Bereits vergangenes Jahr bespielte Charlie Ps-Chef Brian Patton diesen Bereich mit dem Pop-up-Burgerlokal "It’s All About The Meat, Baby". Das diesjährige Kurzzeitprojekt "Big Smoke" spezialisiert sich auf texanisches Fleisch.

Auch das Badeschiff beginnt die neue Saison mit einigen Änderungen: Bei der Fest.Land.Bar wird es Steckerlfische geben; und an Bord kommt das Bier künftig nicht mehr vom Fass sondern aus dem Tank. "Das ist süffiger und daher für den Sommer ideal", erklärt Andreas Teltscher. Um den Gästen an heißen Tagen ein wenig Abkühlung zu verschaffen, hat Besitzer Nuriel Molcho für den Tel Aviv Beach bei Verwandten in Tel Aviv große Ventilatoren (mit Sprühnebelfunktion) zur Kühlung bestellt. Und wer sich ausgefallenere Cocktails wünscht, der sollte nach der Spezialkarte "Monkey Bar" fragen (Monkey Bar nennt sich auch das neu eröffnete Lokal der Familie Molcho in Berlin, Anm.).

Während der bevorstehenden Fußball-WM werden mehrere Lokale Spiele wieder auf großen Bildschirmen übertragen.

Selbstversorgung

Viele Gäste suchen den Kai gar nicht der Lokale wegen auf – sie nehmen sich ihren eigenen Proviant mit. So wie der 30-jährige Herbert, der es sich mit Freunden und ein paar Dosen Bier im Gras gemütlich gemacht hat.

Der Donaukanal ist jedenfalls mehr als bloße Gastromeile. Unterschiedlichste Gruppen nutzen den Kanal mittlerweile für ihre Freizeitaktivitäten: Sprayer toben sich in der Graffiti-Zone aus, Boulderer versuchen die Kaimauern zu erklimmen; Fitnessgruppen verlegen ihr Zirkeltraining ins Freie und die Straße teilen sich Läufer, Radfahrer und Inline-Skater.

Auch Hobbygärtner sind an dem Kanal aktiv: Neben dem Adria Wien wurde ein kleiner Kräutergarten errichtet und auf Höhe der Gerhardusgasse dürfen sich Schulkinder an neu angelegten Gärten mit Radieschen und Paradeiser n versuchen.

Kunst & Kultur

Beim "Donaukanaltreiben", das noch bis Sonntag andauert, verwandelt sich der Kanal wieder in eine große Bühne für Kunst und Kultur. Mitte Juni soll es erstmals auch einen Kunsthandwerksmarkt auf Höhe der Salztorbrücke geben. Wird dieser angenommen, möchte Bernhard Engleder ihn dauerhaft einrichten.

Projekte wie eine schwimmende Kulturinsel oder Wassertaxis warten jedoch weiterhin auf ihre Realisierung.

Eine Gruppe Menschen, die ausgelassen tanzt, daneben zwei DJs bei der Arbeit. Doch: keine Musik, kein Geräusch, kein Ton. Für Passanten wirkt es, als hätte jemand unabsichtlich die "Stumm"-Taste auf der Fernbedienung des Lebens gedrückt. Leise ist es bei den sogenannten "Gehsteigdiscos" allerdings nur für die Umwelt – die Mitwirkenden hören die Musik über die Funkkopfhörer.

Die nächste dieser stummen Discos findet morgen, Sonntag Nachmittag, im Kongressbad statt. Weitere Termine gibt es kommende Woche im Zuge des Wir.Sind.Wien.Festivals. Das Konzept der Silent Discos hat sich im Laufe der letzten Jahre auf der ganzen Welt etabliert, Künstler Oliver Hangl hat die ersten Gehsteigdiscos 2001 organisiert. Mittlerweile hat Hangl sein Konzept erweitert: So gibt es nun auch mobile Konzerte ("Walking Concerts") oder Lesungen ("Walking Fiction"), bei denen die Funkkopfhörer zum Einsatz kommen.

www.gehsteigdisco.at

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