Polizei-Einsatz vor aller Augen

Polizei-Einsatz vor aller Augen
In Internet-Foren gehen daraufhin die Wogen hoch, Polizeitrainer verteidigt den Einsatz.

Ein Mann liegt am Boden der Mariahilfer Straße in Wien. Drei Polizisten knien neben ihm. Rundum bildet sich eine Menschentraube. "Lassen Sie seinen Hals los!", schreit ein Passant. "Gehen Sie weg, Sie brauchen ihn nicht zu würgen!" Plötzlich beginnt sich der Mann zu wehren. Er bäumt sich auf. Die Polizisten versuchen, ihn auf den Boden zu bringen, Kollegen eilen herbei. Die Zuschauer applaudieren zynisch. "Alter, WEGA. Simma jetzt in Amerika?" Der Mann am Boden wehrt sich noch immer, schreit "Bitte, Polizei!" Dann ist das Video aus. Doch seit Montag macht es die Runde. Und die Polizei ist wieder mit Gewaltvorwürfen konfrontiert.

Was war passiert? Eine 22-Jährige verließ Montagnachmittag das Studentenheim in der Mollardgasse. Sie wurde von einem Mann verfolgt. Auf der Mariahilfer Straße soll der Mann erneut Kontakt gesucht haben. Die junge Frau ließ ihn abblitzen und suchte in einem Geschäft Zuflucht. Sie rief Freunde an, um ihr zu helfen – der Mann soll ihr in das Geschäft nachgegangen sein. Die Freunde kamen, der Mann verschwand. Und tauchte wenig später auf der Mariahilfer Straße wieder auf, wo ihn die Polizei anhielt. Als er um seinen Ausweis gefragt wurde, soll er um sich geschlagen haben. Der Rest der Geschichte findet sich auf dem Video von Stefan Pausa. Und das wird heiß diskutiert.

Zeuge schildert

Der Student war es, der die Diskussion über den Polizeieinsatz in Gang setzte – er postete das Video auf Facebook. "Ich war kurz vor Beginn des Videos vor Ort, der Mann wurde gerade von der Polizei zu Boden geworfen und fixiert. Er rief um Hilfe und behauptete, dass das keine echte Polizei sei",schildert er. Ihm sei relativ schnell klar gewesen, dass er "geistig nicht ganz da war". Was Pausa empört: "Es sah für mich so aus, als ob einer der Beamten ihm den Schlüssel mit voller Kraft an die Schläfe drückte, während er auf dem Boden lag. Ich denke, dass die Verhaftung zu brutal war und vor allem von besser ausgebildeten Beamten um einiges humaner und schmerzloser durchgeführt hätte werden können."

Vorgehen war angemessen

Dem widerspricht Martin Hollunder-Hollunder, Bundes-Einsatztrainer der Polizei. Auch er hat das Video gesehen. "Ich kann nichts erkennen, das schiefgegangen wäre." Erst hätten drei Polizisten den Mann an Beinen und am Oberkörper fixiert. "Dann wird der Betroffene aggressiv, ein Kollege stürzt. Und deshalb kommen weitere Kollegen dazu, die ihn festhalten." Für den Betroffenen sei es humaner, wenn er von mehreren Polizisten fixiert würde. "Dadurch müssen, wenn er sich wehrt, nicht so starke Hebel angesetzt werden, die den Mann verletzen könnten." Ein Kollege hätte zudem mit einigen Metern Abstand die Amtshandlung beobachtet.

Die Polizei Wien kommentiert den Vorfall nur kurz: "Wir werden den Fall genau überprüfen lassen, sowohl rechtlich durch die Staatsanwaltschaft, als auch einsatztaktisch durch Einsatztrainer." Kurz hält sich auch die Organisation Amnesty International, die beim jüngsten bekannt gewordenen Vorfall an einer Tankstelle in der City (siehe unten) scharfe Worte fand: "Die Geschichte ist für uns nicht so klar wie beim letzten Mal."

Prozess nach Amtshandlung

Am Mittwoch steht ein 43-Jähriger in Wien wegen Widerstandes vor Gericht, der bei einer Amtshandlung am Praterstern unter anderem einen Trommelfellriss erlitten haben soll. Eine Psychotherapeutin war Zeugin, das Spital erstattete Anzeige gegen die Polizei.

Bereits in der Silvesternacht ereignete sich ein Vorfall, bei dem die Wiener Polizei nicht gut wegkommt. Auf dem Gelände einer Tankstelle in der Wiener City wurde eine 47-jährige Unternehmerin festgenommen. Sie hätte als Fußgängerin einen Alkotest machen sollen, weigerte sich aber.

Die Geschehnisse wurden von einer Videokamera (siehe unten) aufgezeichnet und sind laut Stadtzeitung "Falter" auf einem halbstündigen Video zu sehen. Das Band wurde von der Frau organisiert, weil die Behörden die Aufzeichnungen nie gesichtet hatten. Nachdem das Opfer festgenommen und am nächsten Tag aus der Haft entlassen wurde, ließ sie sich im AKH untersuchen. Diagnose: Bruch des Steißbeins, Prellungen von Schädel und Knie sowie zahlreiche Blutergüsse.

Die Staatsanwaltschaft wäre verpflichtet gewesen, die Polizisten binnen 48 Stunden einzuvernehmen, das Video zu sichten und ein gerichtsmedizinisches Gutachten in Auftrag zu geben. Obwohl die 47-Jährige am 1. Jänner Anzeige gegen die Polizisten erstattete, wurden keinerlei Erhebungen in die Wege geleitet. Erst die Veröffentlichung des Videos, ließ die Staatsanwaltschaft reagieren. Der Fall soll jetzt neu behandelt werden. Justizsektionschef Christian Pilnacek nahm im "Ö1-Morgenjournal" zu den Vorwürfen Stellung: "Mir erscheint der Einsatz zu massiv. Das Vorgehen der Polizei ist sicherlich aufklärungs- und erörterungswürdig." Die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen die Frau könnte "vorschnell" erhoben worden sein, so der hochrangige Jurist weiter.

Kommentare