Vegan aus Liebe zum "sexy Schwein"

Vegan aus Liebe zum "sexy Schwein"
"Am Anfang war ich der Spinner." Seit zwei Monaten serviert Karl Schillinger fleischlose Burger in Wien-Neubau.

Das Lokal in der Schottenfeldgasse ist zum Bersten voll. Ein Tablett nach dem anderen verlässt die Küche. Hungrige Gäste drängen sich vor der Theke. Dahinter steht Karl "Charly" Schillinger, Besitzer des ersten rein veganen Burger-Restaurants "Swing Kitchen" in Wien.

Vegan aus Liebe zum "sexy Schwein"
Der Niederösterreicher mit der stämmigen Statur isst seit 27 Jahren vegetarisch, seit 17 Jahren vegan. Der Grundstein dazu wurde in den Achtzigern gelegt. "Da haben wir nach dem Tod meines Vaters seine Hausschweine geerbt", erzählt der 49-Jährige. Nachdem es die Familie nicht übers Herz brachte, die Tiere schlachten zu lassen, wurden Schillinger, seine Mutter und die zwei Schwestern über Nacht zu Vegetariern – bald darauf verschwanden tierische Produkte komplett von ihrem Speiseplan.

"Schön waren alle drei Schweine", erzählt der Gastronom im Rückblick. Sein Blick ist verklärt. "Da gab es die bezaubernde Gini, Jaisy und Brigitte – das war so ein richtiges sexy Schwein."

"Sogar der Pfarrer hat damals gesagt, das ist Blasphemie!"

Für seine neuen Haustiere war Schillinger nichts zu teuer, die Palette reichte vom Bürstenzimmer hin zum 2000 Quadratmeter großen Auslauf. Das rief Kritiker auf den Plan. "Ich war schnell der Spinner im Dorf", sagt Schillinger. "Sogar der Pfarrer hat damals gesagt, das ist Blasphemie!" Heute lacht er darüber.

Vegan aus Liebe zum "sexy Schwein"
Dabei war Schillinger nicht immer Gastronom aus Leidenschaft. Bevor er 2001 das Gasthaus seiner Mutter im niederösterreichischen Großmugl übernahm, war er als Broker in New York tätig. "Ich war schon immer sehr gut mit Zahlen. Da war es egal, dass ich nicht mal Matura hatte", erzählt Schillinger schmunzelnd. Schon damals hat ihn die Vielfalt der vegetarischen Küche in New York inspiriert. Hie und da sehne er sich nach Amerika zurück – zum Beispiel, wenn ihm die heimische Bürokratie mal wieder zu schaffen macht, sagt Schillinger.

Wegen seiner Frau kehrte er ins Weinviertel zurück, wo das Paar damit begann, mit Fleischersatz zu experimentieren. Dass sie anfangs belächelt wurden, nahm Schillinger gelassen. "Wir waren Pioniere, und als Pionier wird man immer schief angeschaut." Sein Durchhaltevermögen machte sich bezahlt, schon bald pilgerten viele Wiener nach Großmugl – mit 1877 Einwohnern eine untypische Gegend für ein veganes Lokal.

Neuer Standort

Im Vorjahr war Schillinger für eine Kooperation mit dem Fast-Food-Riesen McDonald’s im Gespräch. "Es gab einen Wettbewerb für vegane Burger, den wir gewonnen haben", verrät er. "Momentan sind die Verhandlungen aber auf Eis gelegt."

Vegan aus Liebe zum "sexy Schwein"
Aktuell ist der Gastronom auf der Suche nach einem zweiten Standort in Wien – kein leichtes Unterfangen: "Meidlinger Hauptstraße oder Favoritenstraße kommen da nicht infrage – wir brauchen mehr die intellektuelle Schiene." Sein Konzept – völlig vegan, rauchfrei und kein Alkohol – würde in Wien wahrscheinlich "noch drei bis vier Standorte vertragen".

Schillinger hat Glück: Wien zählt laut Vegan Society London zu den Vegan-Hochburgen Europas. Dabei sind zwei Drittel seiner Gäste eigentlich Fleischesser. Bekehren wolle er aber niemanden. "Das geht immer nach hinten los. Jeder der missioniert, kriegt ganz schnell eine auf den Deckel."

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