Wieder Ärger in Sachen Glücksspielgesetz

Wieder Ärger in Sachen Glücksspielgesetz
Diesmal geht es um die Razzien der Finanzpolizei in Automatensalons.

In Sachen Glücksspielgesetz gibt es wieder Troubles. Diesmal geht es um die Razzien der Finanzpolizei in Automatensalons, gegen die sich die Betroffenen mit allen juristischen Mitteln wehren. Bei den Landesverwaltungsgerichten stapeln sich die Akten. Wegen rechtlicher Unklarheiten setzen jetzt viele die Verfahren aus. Und auch der EuGH wurde erneut angerufen.

Im Kern geht es um die Frage, ob das neue Glücksspielgesetz (GSpG) EU-rechtskonform ist. Vor ein paar Jahren schon hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das österreichische Glücksspielmonopol gekippt. Mit der Gesetzesreparatur wurden aber nicht alle Unklarheiten beseitigt.

Geldstrafen empfindlich hoch

Ein großes Problem sind die Razzien der Finanzpolizei bei Betreibern von mutmaßlich illegalen Glücksspielautomaten. Nahezu jede Beschlagnahme hat ein juristisches Nachspiel bis in die Instanzen. Nicht zuletzt, weil die Geldstrafen empfindlich hoch sind, legen die Betroffenen Beschwerde ein. Sie argumentieren stets damit, dass die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes unionsrechtswidrig seien und sie daher nicht bestraft werden dürften. Vielfach werden zusätzlich die Finanzbeamten wegen Amtsmissbrauchs angezeigt.

Das Ganze landet dann bei den Landesverwaltungsgerichten (früher: Unabhängige Verwaltungssenate, UVS). Diese jedoch "streiken" jetzt: In Oberösterreich, Niederösterreich und Wien haben Landesverwaltungsrichter begonnen, die Verfahren - allein in Oberösterreich sind es seit Anfang 2014 rund 1.100 Verfahren - auszusetzen. Der Grund: Der "zentrale Streitpunkt", ob das GSpG mit EU-Recht vereinbar ist, sei noch nicht geklärt, wie die Verwaltungsrichter-Vereinigung (VRV) auf ihrer Homepage erklärt.

Konkret warten die Verwaltungsrichter ungeduldig auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH). Dieser solle sich endlich dazu äußern, ob er das GSpG für europarechtskonform hält.

Zu viele Unklarheiten

Die Verwaltungsgerichte können bei grundsätzlichen Rechtsfragen vorab den VwGH fragen. Das haben sie getan. Weiters ermöglicht ihnen das Gesetz (VwGVG), ein Verfahren über eine Beschwerde auszusetzen, wenn sie in einer "erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren" eine Rechtsfrage lösen müssen, die bereits Gegenstand eines beim VwGH anhängigen Revisionsverfahrens ist.

Einige Verwaltungsrichter haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Verfahren liegen also auf Eis. Jene, die dennoch entscheiden, können sich einer Revision sicher sein.

Parallel dazu hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erneut den Europäischen Gerichtshof angerufen. Es geht um eine finanzpolizeiliche Razzia in einer Welser Sportbar im Jahr 2012, bei der sämtliche Spielautomaten und Geräteschlüssel beschlagnahmt wurden.

Das LVwG muss nun entscheiden, ob die 24.000-Euro-Strafe pro Beschwerdeführer rechtmäßig war, sieht sich aber dazu aufgrund rechtlicher Unklarheiten nicht imstande.

Beschlagnahmung illegal

Der Landesverwaltungsrichter übt in dem Antrag auf Vorabentscheidung, der der APA vorliegt, massive Kritik am Vorgehen der Strafbehörde, der Landespolizeidirektion Oberösterreich (LPD OÖ). So habe die Polizei bei der Razzia keinen Sachverständigen beigezogen, um zu klären, ob es sich bei den fragwürdigen Geräten überhaupt um Glücksspielautomaten handelte.

2015 schließlich hat der VwGH den Beschwerdeführern recht gegeben und das Erkenntnis des UVS, der die Strafe bestätigt hatte, wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben. Die Begründung: Es lägen keine Feststellungen zu den möglichen Höchsteinsätzen bei einzelnen Spielen vor, was aber für die Abgrenzung der gerichtlichen Zuständigkeit (Strafgerichte oder Verwaltungsgerichte) entscheidend sei.

Zwischenzeitlich hat das LVwG OÖ jedoch mehrfach festgestellt, dass das im GSpG verankerte Monopolsystem unionsrechtswidrig sei und daher keine Strafen im Glücksspielbereich ausgesprochen werden könnte. Insbesondere die Beschlagnahme von Automaten sei illegal, meinen die oberösterreichischen Verwaltungsrichter.

Beweispflicht obliege dem Staat

Den EuGH hat das LVwG aber wegen einer prozessualen Frage eingeschaltet. Diese lautet, vereinfacht ausgedrückt: Müssen die Verwaltungsrichter in den Glücksspielverfahren von Amts wegen feststellen, ob/dass die Betreiber gegen GSpG verstoßen haben, also quasi Richter und Staatsanwalt in einem spielen?

Während der VwGH den Standpunkt vertritt, dass es eine solche Ermittlungspflicht der Gerichte gibt, hält das LvWG die entsprechende österreichische Verfahrensbestimmung für EU-rechtswidrig.

Schon früher habe der EuGH zu Monopolen festgestellt, dass der Staat beweisen muss, dass solches Monopol notwendig ist. Die Beweispflicht obliege also auch beim Thema Glücksspiel klar dem Staat, nicht dem Gericht. Das LVwG könne nicht Richter und Ermittler in einem sein, so die Argumentation. Zumal eine Beweispflicht des Gerichts massive Auswirkungen auf die Verfahren hätte, nämlich de facto sicher zur Bestrafung der Beschwerdeführer führen würde.

Zahl der beschlagnahmten Geräte verdoppelt

Daher sei die prozessuale Bestimmung in Österreich nicht mit EU-Recht (Europäische Menschenrechtskonvention und EU-Grundrechtecharta) vereinbar, meint das LVwG. Dazu soll sich nun der EuGH äußern.

In dem Vorabentscheidungsantrag findet der Richter ungewöhnlich scharfe Worte: Nach Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz verfügten die Verwaltungsrichter weder über einen "gerichtseigenen Ermittlungsapparat" noch über die Möglichkeit, "detektivisch geschultes Personal" zuzuziehen. In der österreichischen Prozessnorm sehen die Oberösterreicher ein "Inquisitionsprinzip". Denn die Richter sollten, gehe es nach dem VwGH, so lange ermitteln, bis ein "spezifisches (u. U. schon von vornherein beabsichtigtes) Ergebnis erzielt ist".

Darüber hinaus hat im September 2015 das Landesgericht Wiener Neustadt in einem Fall, in dem die Novomatic-Tochter Admiral einen Konkurrenten geklagt hat, den EuGH angerufen. Die Frage dreht sich um die Prüfung der Unionskonformität einer Monopolregelung. Kommt es dabei auf die Zielsetzung der Regelung an oder auf ihre "empirisch mit Sicherheit festzustellenden Auswirkungen"?

Im Jahr 2015 ist die Finanzpolizei 1.066-mal in Automatensalons ausgerückt, die Zahl der beschlagnahmten Geräte hat sich auf 2.266 mehr als verdoppelt.

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