Frust bei Anrainern und Pendlern

Parkplätze sind Mangelware.
Wiener beschweren sich über fehlende Parkplätze, Pendler beklagen die Öffi-Infrastruktur.

An Wochentagen fährt Sabine Höller nur im Notfall mit ihrem Auto. Denn die Währingerin fürchtet, sonst wieder keinen Parkplatz zu finden. Im 18. Bezirk gibt es kein Parkpickerl. Parkplätze sind daher nicht nur bei Anrainern, sondern auch bei Pendlern begehrt – und damit Mangelware. Ein Phänomen, das sich in den meisten pickerllosen Bezirken zeigt. Hier muss sich etwas ändern. Doch welche Methode die Richtige ist, darüber herrscht Uneinigkeit.

Pendler ohne Autos?

Wie berichtet, ist es die Vision der Wiener SPÖ, dass Pendler künftig schon vor der Stadtgrenze auf den öffentlichen Verkehr umsteigen sollen. Was sinnvoll klingt, ist derzeit reines Wunschdenken. Denn schon jetzt sind viele Pendlerzüge vollkommen ausgelastet. Dazu kommt: Oft packt die Pendler weit vor dem Bahnsteig der Frust – viele Park-&-Ride-Anlagen in Niederösterreich platzen aus allen Nähten.

Erfahrungen, die sich viele sparen und gleich mit dem Auto in die Bundeshauptstadt fahren. "Das Auto ist eben immer noch der Inbegriff der Freiheit", glaubt der Währinger Bezirksvorsteher Karl Homole. Also kann man nicht nur auf Öffis setzen, sondern muss auch neue Parkmöglichkeiten schaffen.

Knapp 9000 Plätze in Park-&-Ride-Garagen gibt es derzeit; 7000 sollen in den nächsten Jahren dazu kommen. Bei 130.000 Selbstfahrern, die täglich nach Wien unterwegs sind, ist das ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das denkt auch die Hietzinger Bezirksvorsteherin Silke Kobalt (VP): "Wir brauchen eine große Park-&-Ride-Anlage in Auhof." Dann müsste aber auch die U4 dorthin verlängert werden. Auch Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SP) glaubt, dass die geplante P-&-R-Anlage in Aspern viel abfedern kann. Doch sinnvoller als große Parkgaragen in der Stadt finden die meisten Wiener Bezirksvorsteher Parkplatzmöglichkeiten vor der Stadtgrenze. Aus dem Büro des SPÖ-Rathausklubs heißt es dazu klar: "Niederösterreich ist gefordert."

Nachbarn gefordert

"Wir haben mehr P-&-R-Plätze als alle acht anderen Bundesländer zusammen", sieht Verkehrslandesrat Karl Wilfing in Niederösterreich kein Säumnis. 35.000 Plätze für Autos und 23.000 für Fahr- und Motorräder sind es landesweit. Auf das Wiener Parkpickerl habe man mit 2000 provisorischen Plätzen reagiert, hinzu kommen Pendlergaragen in Wien, die man mit privaten Eigentümern geschaffen hat – noch einmal 1350 Plätze. Trotzdem werde weiter gebaut: 50.000 Auto- und 30.000 Zweirad-Plätze soll es bis 2025 geben.

Für ÖAMTC-Verkehrsexperten David Nosé gut, aber nicht gut genug. Die Anlagen müssten rascher ausgebaut werden, meint er. Aufgrund der hohen Pendlerzahl "werden 50.000 Plätze auch zu wenig sein", meint er. Besonders im Süden und im Raum St. Pölten sei der Bedarf nach P-&-R-Stellplätzen besonders groß. Auch bei großen Siedlungserweiterungen sollte die Errichtung derartiger Anlagen gleich mitgeplant werden.

Frust bei Anrainern und Pendlern

Stundenlange Parkplatzsuche oder die verstopfte Tangente – ein Gräuel für alle Pendler, die mit dem Auto nach Wien müssen. Geht es nach der SPÖ, sollen diese Probleme in einigen Jahren aber der Vergangenheit angehören. Vergangene Woche stellten die „Stadtroten“ zehn verkehrspolitische Thesen „für eine smarte Stadt des 21. Jahrhunderts“ vor. Ein Punkt: Wer Wien besucht oder in der Bundeshauptstadt arbeitet, der kommt in Zukunft öffentlich.

Bleibt die Frage, wie die mehr als 200.000 Pendler, die derzeit täglich mit dem Auto nach Wien kommen, künftig öffentlich anreisen sollen. Der KURIER hat sich die Situation angesehen.

06.30 Uhr, Bahnhof Wien Meidling: Hektik und Menschenmassen. Wie in Wellen schwappen die Pendler schon zu früher Stunde über den Bahnhof. Die Züge aus denen sie aussteigen, sehen kaum so aus, als ob alle bequem hineinpassen würden. „Es ist immer überfüllt“, sagt Pendlerin Petra G. „Ich muss leider jeden Tag vor dem Büro zwanzig Minuten im Zug stehen.“ Die junge Frau reist aus Baden zu ihrem Arbeitsplatz in Wien an. Obwohl die Züge fast im Zehn-Minuten-Takt fahren, ist immer extrem viel los.

Das simple Problem

In fast zwei Stunden vor Ort, nahmen sich 20 Pendler kurz Zeit, um dem KURIER die Situation zu schildern . Allesamt klagen über die stark überfüllten Züge – und das nicht nur am Morgen. „Am Freitag ist es ab zirka 16 Uhr besonders schlimm. Viele fahren dann auf der Südbahn in die Bundesländer im Süden. Da ist selten ein Sitzplatz frei“, erzählt Martin B. aus Wiener Neustadt.

Gerade Pendler die mit der Südbahn fahren, haben das Problem mit den extrem „gut besuchten“ Zuggarnituren. „Die ÖBB wissen genau, dass in der Früh viele nach Wien fahren. Warum hängen die nicht einfach ein oder zwei Waggone mehr dran?“, fasst eine Dame die große Frage der Pendler zusammen.

Die Erklärung der ÖBB ist so simpel, wie nur irgend möglich: „Auf der Südbahnstrecke sind viele Bahnsteige zu kurz“, erklärt ÖBB-Sprecher Michael Braun. Das Unternehmen will das Erfolgskonzept von der Weststrecke – dort fährt man auf vier Gleisen – jetzt aber auf die Route gen Süden bringen. 2022 soll alles fertig sein. Scheint als müsse sich die „smarte Stadt“ bis dahin gedulden. Wie gut ist ihre öffentliche
Anbindung?

Stammkunden haben es meistens besser – bei der ÖBB aber nicht unbedingt. Wer nämlich eine Vorteilscard besitzt und gerne sein Rad im Zug mitnehmen möchte, der zahlt seit heuer oft doppelt so viel wie noch 2013.

Die Fahrradmitnahme kostet entfernungsabhängig zehn Prozent eines Vollpreis-Personentickets auf der Mitnahmestrecke. Die Mindestgebühr von zwei Euro bringt im Nahverkehr mit Hin- und Rückfahrt jetzt aber Mindestkosten von vier Euro. Das bedeutet gegenüber dem Vorteilscard-Tarif aus 2013, wo eine Tageskarte 2,50 Euro kostete eine Teuerung von 60 Prozent.

Kritik

Dieser Umstand schmeckt der Österreichischen Radlobby gar nicht. Eine Kampagne der heimischen Radler, soll auf diese Teuerung jetzt aufmerksam machen. „Zug und Rad wären sowohl im Freizeitverkehr für Tagesausflüge und Tourismus als auch für Pendler die ideale, umweltfreundliche Verbindung. Gemäß Masterplan Radfahren des Lebensministeriums ist die Fahrradmitnahme durch die Schaffung attraktiver Tarife zu fördern“, sagte der Sprecher der Radlobby Österreich, Alec Hager.

Vergangenen Mittwoch startete die Petition „Vorfahrt für Rad & Bahn“, die online unterzeichnet werden kann.

Trotz der Kritik will die ÖBB-Führung die Tarife aber nicht erneut ändern und hat die Forderungen der Rad-Lobby abgelehnt. www.radpublik.at

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