Ein Kuss polarisiert Wien

Ein Kuss polarisiert Wien
Der Fall des aus einem Café verwiesenen Lesben-Paares zeigt Lücken im Diskriminierungsschutz auf.

Der Vorfall ist Stadtgespräch: Christl Sedlar, die rüstige Chefin des bekannten Wiener Kaffeehauses Prückel, verwies ein küssendes, lesbisches Paar des Lokals. Aus „homophoben“ Gründen, sagen die zwei betroffenen Frauen, die dies mit Aussagen der Chefin („Andersartigkeiten gehören ins Puff“) belegen wollen. Aus „Anstand“ und wegen der Etikette, begründet Sedlar den Schritt gegenüber dem KURIER – Schmusende „will ich in meinem Kaffeehaus nicht haben“. Die Kaffeesiederin fühlt sich missverstanden und ruft nicht mehr zurück.

Die Stange hält ihr Berndt Querfeld, Obmann der Sparte Kaffeehäuser in der Wiener Wirtschaftskammer. Es werde ein „gesellschaftspolitisches Thema“ mit „einem Vorfall vermischt, von dem wir nicht wissen, was dahintersteckt“. Querfeld stellt klar: Cafés seien „offene und tolerante Orte“ und die Prückel-Chefin ein „offener Mensch, der aus einer anderen Generation kommt. Über sie herzufallen ist falsch“. Ihn störe „der Aktionismus dahinter“.
Ein Verstoß gegen die Etikette oder Diskriminierung? Die Frage sorgt im Internet für heftige Debatten.

„Absurde“ Situationen

Für Rechtsanwalt Helmut Graupner zeigt der Fall, wie lückenhaft der rechtliche Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist. Der Jurist sitzt im Verein Lambda, der Homosexuelle rechtlich berät. Auf Bundesebene beschränke sich das Gleichbehandlungsgesetz auf die Arbeitswelt. Das führe zu „absurden“ Konstellationen, wie Graupner anhand eines Beispiels erklärt: „Ein Gast darf nicht sagen, er will sich nicht von einem schwulen Kellner bedienen lassen.“ Da der Kellner an seinem Arbeitsplatz sei, gelte dies rechtlich als Diskriminierung, aus der sich Schadenersatzanspruch ableiten lasse. Umgekehrt dürfe ein Kellner einen homosexuellen Gast wegen seiner Orientierung hinauswerfen – rechtlich werde das nicht sanktioniert.

Ein anderes Beispiel: Ein Gymnasiallehrer habe nach dem Gleichstellungsgesetz nichts zu befürchten, wenn er einen Schüler wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert; umgekehrt könnte ein Schüler belangt werden, weil sich der Lehrer an seinem Arbeitsplatz befindet. Graupner: „Es braucht eine einheitliche Regelung. Das kann niemand verteidigen.“ Fast alle Bundesländer haben in ihrem Kompetenzbereich den Diskriminierungsschutz ausgebaut. Lediglich der Bund ist säumig.

Ausweitung gescheitert

Derzeit ist der Diskriminierungsschutz abgestuft: Wer wegen einer Behinderung oder seiner ethnischen Herkunft auch außerhalb der Berufswelt (etwa bei Dienstleistungen) benachteiligt wird, hat zumindest eine rechtliche Handhabe dagegen. Anders ist es für Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Sie können sich ausschließlich in der Berufswelt juristisch wehren. Bereits zwei Mal brachte die Bundesregierung eine Vorlage im Parlament ein, die eine Ausweitung des Schutzes, vorsah.

Doch beide Male scheiterte die Regierung am Widerstand einiger ÖVP-Mandatare im Nationalrat. Der ÖVP-Klubsprecher verweist auf das Büro des Vizekanzlers. Dort hieß es am Montag auf Anfrage des KURIER: „Wir warten die derzeit laufende Evaluierung des Gleichbehandlungsgesetzes durch das Sozialministerium ab.“
Die betroffenen Frauen, Eva Prewein, 26, und Anastasia Lopez, 19, wissen sich auch so zu wehren. Sie mobilisieren nun gegen das Kaffeehaus und ihre Betreiberin. Beide engagieren sich auch privat für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare in allen Lebenslagen – Lopez in der Achse kritischer SchülerInnen Wien, die mit anderen Organisationen auf Facebook zum Protest vor dem Prückel aufgerufen hat. Die beiden bestreiten den im Netz geäußerten Vorwurf, den Vorfall provoziert zu haben. „Wir haben doch nicht darauf gewartet“, sagt Lopez.

Mit derart viel Resonanz haben sie nicht gerechnet. Bereits 4000 Personen sagten bis Montagnachmittag auf Facebook zu, zur Kundgebung zu kommen. „Wir dachten, es würden sich 20 bis 30 Freunde der Protestkundgebung am Freitag anschließen.“
Für Maximilian Platzer, den Obmann des Klubs der Wiener Kaffeehausbesitzer, passt der Vorwurf nicht zur Chefin des Prückel: „Das ist eine weltoffene Frau.“ Er glaubt, die beiden Frauen hätten die Anstandsgrenze verletzt. So etwas habe er selbst in seinem Kaffeehaus bereits anders gelöst – mit Wiener Schmäh: „Brauchen S’ a Hotel?“

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