Erst Notdurft untersagt, dann angezeigt

2000 Beamte sicherten den von der FPÖ ausgerichteten Ball: In der Innenstadt eskalierte die Situation. Es entstand hoher Sachschaden.
Kommission der Volksanwaltschaft auf Beobachtungsposten: Laut Anfrage fehlte die Deeskalation.

6000 Demonstranten, 2000 Polizisten, ein randalierender Block und viel Kritik an der Polizei: Das war die Bilanz der Demonstrationen gegen den Akademikerball in Wien und seine rechts außen stehenden Gäste im Jänner.

Jetzt reicht die Volksanwaltschaft – wie das Ö1-Morgenjournal berichtet – ein Kapitel in der noch immer nicht abgeschlossenen Aufarbeitung nach. Eine Kommission, aufgesplittet in mehrere Delegationen, hatte den Polizisten während ihres Einsatzes auf die Finger geschaut. Die acht Seiten lange Anfrage ans Innenministerium sieht mehrere Aktionen als bedenklich an, lobt aber auch die gegen Provokationen resistenten Beamten und korrekte Festnahmen.

Eine Beobachtung zu einem von der Polizei gebildeten Kessel: 150 bis 200 Personen sind umstellt, die Beamten kontrollierten laut Beobachter die Identität der Eingezingelten "sehr langsam". Darunter eine junge Frau, die mit ihrer Bitte, auf die Toilette gehen zu dürfen, abblitzt. Die Frau muss dann vor den Demonstranten und Polizisten urinieren – und wird von einem Beamten prompt herausgefischt und wegen "Erregung öffentlichen Ärgernisses" anzeigt. Die Beobachter kritisierten, dass die drei beobachteten Umzingelungen (mangels Ressourcen zur Datenerfassung) zu lange dauerten und Durchsagen über den Grund und die Dauer der Aktion unterblieben oder nicht hörbar waren. Dies widerspreche den Empfehlungen.

"Nicht nachvollziehbar"

Einen Kessel stellt die Volksanwaltschaft überhaupt infrage: Demonstranten bewarfen eine Polizeikette mit einer Bank. Zitat: Es sei "nicht nachvollziehbar gewesen, warum nicht mit der gezielten Festnahme der gewaltbereiten Demonstranten, sondern mit der Einkesselung von circa 150 bis 200 Personen darauf reagiert worden ist".

Überdies stellt die Volksanwaltschaft einen möglicherweise übertriebenen Einsatz von Pfefferspray in den Raum. Als die Bank auf die Beamten geschleudert wurde, spielte es sich laut einer Delegation wie folgt ab: "Gegen die zurückweichenden Demonstranten, die wegen der großen Menschenmenge nicht schneller zurückweichen konnten, ist Pfefferspray eingesetzt worden."

Überdies ließ man durchblicken, dass es die Polizei besser könne. Anders als bei der EURO sei "keine aktive deeskalierende Kommunikation" wahrgenommen worden. Die Polizei will zuerst der Volksanwaltschaft antworten, bevor sie öffentlich Stellung nimmt. Gegen neun Demonstranten laufen noch Ermittlungen. Der erste Strafprozess findet am 6. Juni statt.

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