"Kurdinnen-Kampfanzug": Protest gegen H&M-Overall

Kurdische Kämpferinnen in ihrer traditionellen Kleidung - an die soll das H&M-Outfit erinnern.
Weil der Einteiler aussieht wie ein Outfit kurdischer Kämpferinnen, steht der Kleidungsriese in der Kritik.

Geschmacklos“, „respektlos“, „schamlos“: So in etwa lauteten die Kommentare in den sozialen Netzwerken, die am Dienstag alle ein Ziel hatten – ein Trend-Outfit der neuen H&M-Herbst/Winter-Kollektion. Der schwedische Moderiese hatte unter seinen Neuvorstellungen nämlich auch einen in Khaki gehaltenen Overall, der sehr an die traditionelle Kampfkleidung von kurdischen Soldatinnen erinnert:

Wiedererkennungswert

Der Jumpsuit mit braunem Gürtel sei kein Patzer, sondern ein bewusster Versuch des Moderiesen den Wiedererkennungswert der Kampfausstattung zu Werbezwecken zu verwenden, lautete ein vielfach vorgebrachter Vorwurf, berichtet die Daily Mail. Im Krieg gegen die Terroristen des IS sind nämlich auf kurdischer Seite nicht wenige Frauen im Einsatz – eigene weiblich besetzte Eliteeinheiten sollen den Vormarsch der IS-Truppen eindämmen (mehr dazu unten).

Keine Absicht

Dies sei keinesfalls die Absicht der Modeschöpfer gewesen, ließ H&M noch gestern ausrichten - die internationale Pressesprecherin der Gruppe, Ida Ståhlnacke, veröffentlichte deshalb eine Stellungnahme: „Es tut uns sehr leid, falls sich jemand durch das Kleidungsstück angegriffen fühlt. Das war nicht unsere Intention.“ Man argumentiert mit modischen Aspekten: „In den letzten Saisons kam es zu einer erhöhten Nachfrage nach Overalls in unterschiedlichen Farben, wie etwa in blau oder rot. (…) Der fragliche Overall wird in einem hellen und komfortablen Material gefertigt und ist Teil einer größeren Sammlung, aus vielen Kleidungsstücken in khaki-grüner Farbe, was eine der angesagtesten Farben der Saison ist.“ Ob er wegen der Kritik nun aus dem Sortiment genommen wird, wurde jedoch nicht kommuniziert.

Die Kalaschnikow in der Hand, grüne Armeekleidung, die langen Haare nach hinten gekämmt: An den Frontlinien im Irak bekommen die IS-Terrormilizen mehr und mehr Kämpferinnen zu Gesicht, die so gar nicht ihrem aufoktroyierten Frauentypus entsprechen. Die kurdischen Truppen verzeichnen derzeit einen stetigen Zulauf von weiblichen Freiwilligen – sie stehen auf, um ihr Recht auf Gleichberechtigung zu verteidigen.

"Die Dschihadisten wollen nicht gegen uns kämpfen. Sie glauben, wer durch weibliche Hand stirbt, kommt nicht ins Paradies", sagt eine Kurdin gegenüber dem Wall Street Journal. Ganz so stimmt das zwar nicht, denn der Himmel wird jedem IS-Kämpfer versprochen, aber die Motivation der Frauen ist klar: Man wehrt sich gegen drohende Unterdrückung – und will als Frau irritieren.

"Die Dschihadisten wollen nicht gegen uns kämpfen. Sie glauben, wer durch weibliche Hand stirbt, kommt nicht ins Paradies"

Schließlich sind diese Frauen-Guerilla-Kämpferinnen ganz anders, als die radikalen Islamisten Frauen gerne sehen würden. Im Kalifat gilt das Gesetz der Vollverschleierung, Frauen dürfen nur in männlicher Begleitung auf die Straße – und Regelverstöße werden schwer geahndet. In Rakka, der De-facto-Hauptstadt der Terrormiliz, haben die Dschihadisten dafür eigene, ausschließlich weiblich besetzte Brigaden ins Leben gerufen.

Soldatin mit Familie

Drei verschiedene militärisch organisierte Einheiten gibt es, die mit Frauen in ihren Reihen gegen IS vorgehen: die separatistische Untergrundorganisation PKK, die paramiliärische YPG und die offizielle Armee der irakischen Kurden, die Peschmerga. Bei den Peschmerga kämpfen die Frauen schon seit 1996, etwa 100 Kämpferinnen hat ihre Einheit. Sie wurde gegründet, um das Regime Saddam Husseins zu stürzen. Damals wie heute geht es ihnen um Gleichberechtigung: "Wir wollen zeigen, dass Frauen und Männer ebenbürtig sind", so Kommandantin Nahida Ahmed Raschid gegenüber der BBC. Unter den Soldatinnen sind auch Frauen mit Familie: "Ich bin sehr glücklich. Ich habe acht Jahre darauf hintrainiert – ich habe keine Angst, ich weiß, dass ich mein Land verteidige und bin aufgeregt", sagt Awas Tawfiq, Peshmerga-Kämpferin und Mutter von zwei Buben. Zwei Tage pro Woche verbringt sie im Trainingscamp, den Rest mit ihren Kindern.

Intern umstritten

Unumstritten sind die Frauen intern aber nicht. In der PKK etwa gab es viele Diskussionen, erzählt ein Kämpfer: "Wir wollten es lange nicht akzeptieren. Schließlich sind Frauen körperlich schwächer, was auch im Kampf schaden kann." Den Prozess vorangetrieben hat Anführer Abdullah Öcalan. Er betonte stets, dass eine Gesellschaft nur mit gleichberechtigten Frauen funktionieren kann: "Sind Frauen versklavt, so sind es auch die Männer."

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