Gewinner und Verlierer des Hitzesommers
Noch ist 2015 nicht der absolute Rekordsommer. Regional betrachtet wurden zwar jede Menge Hitzerekorde gebrochen, auf das Bundesgebiet hochgerechnet rangiert der jetzige Sommer bis heute, Montag, "nur" auf dem zweiten Platz (Rekorde rechts).
Trotzdem, der Wunsch nach einem heißen, sonnigen Sommer wurde heuer bisher eindrucksvoll erfüllt. Meteorologen aber bemühen die Statistik: Der Sommer 2003 (1. Juni bis 31. August) trägt weiterhin – seit Beginn der Aufzeichnungen 1872 – den Titel des Hitze-Königs. "2003 gab es 44 Hitzewelle-Tage. Bis heute, Montag, sind es 38", weiß Klimatologe Robert Klonner von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg).
Vor allem die über Wochen anhaltenden Tropentage (30 Grad und mehr) sowie die darauf folgenden Tropennächte (die Temperatur sinkt nicht mehr ab) setzten Menschen, Tieren, Pflanzen, der Wirtschaft und Gewässern merkbar zu. Insbesondere der ausbleibende Niederschlag brachte im Flachland wie im alpinen Bereich massive Probleme.
Gewinner und Verlierer
Die Hitzewelle mit dem Rekordwert von 38,3 Grad (Langenlebarn und Krems) sorgte im ganzen Land für Gewinner und Verlierer. Der KURIER besuchte einige davon.
"Unser Trumpf sind die dichten Kastanienbäume im Gastgarten. Einen besseren Sonnenschutz gibt’s nicht. Das gefällt auch den Gästen. Wir sind mit der Saison sehr zufrieden", lächelt Karl Kolarik, Chef des bekannten Biergartens "Schweizerhaus" im Prater mit den einfallenden Sonnenstrahlen um die Wette.
"Wir haben das beste Geschäft seit der Übernahme vor zehn Jahren", freut sich Daniela Neuhauser von der Gaisalm am Tiroler Achensee: "Der See ist ein Garant dafür, dass die Leute raufkommen, wenn’s im Tal heiß ist. Wir haben 24 Grad am Nachmittag. Davon profitiert die ganze Region."
Auch bei den Stromanbietern rattern die Zähler. Vor allem der Einsatz von Klimaanlagen belebt das Geschäft. An Hitze-Nachmittagen kletterte der Verbrauch – etwa im Netz der niederösterreichischen EVN – um knapp zehn Prozent in die Höhe. An kalten Wintertagen ist der Verbrauch trotzdem höher.
Auch das Modegeschäft wurde von der Hitzewelle eingebremst. "Welcher Kunde probiert da schon eine Herbstjacke? So bekommen wir zusätzlich den Lagerdruck mit der gelieferten Herbst-Ware", wünscht sich Händler Harald Krenneis aus Krems schleunigst Abkühlung: "Wir versuchen halt, mit ,Zuckerln‘ das Geschäft in Schwung zu halten."
Damit ist es ab heute, Montag, vorbei. Regen und ein Temperatursturz auf 20 bis 24 Grad werden auch Ostösterreich erreichen.
Alles über Hitzerekorde:
15 Tage, davon neun in Folge über 35 Grad gab es in Wien. Rekord.
23 Tropentage bis 30 Grad wurden in Bregenz und 30 Tage in Linz gemessen. Bestmarken für beide Städte.
23 Tropennächte bis 25 Grad verzeichnete Wien. Bisheriger Höchstwert waren 13 Tropennächte 2013.
38, 2° im Zentrum Innsbrucks wurden am 7. Juli gemessen, ebenfalls Rekord.
Blitze Im Juni und Juli wurden bundesweit 620.000 Blitze gezählt. Ein Top-Wert.
Michael Staudinger, 59, ist seit 2010 Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg). Österreichs Chef-Meteorologe erklärt die Hitzewelle und spricht im Interview über Entwicklung und Auswirkungen der Erderwärmung.
KURIER: Kam der Hitzesommer mit den Temperatur-Rekorden für Meteorologen etwas überraschend?
Michael Staudinger: Nein, die mittelfristigen Modelle haben die Situation angekündigt.
Welche Wetter-Parameter lösen in Großteilen Europas diese Hitzewelle aus?
Wenn die Alpen für das Azorenhoch keine Hürde mehr darstellen, dann zieht es weit in den Osten hinein. Heuer konnten sich diese heißen Luftmassen in Europa etablieren. Das Azorenhoch setzte sich fest. Parallel dazu stellte es eine Barriere für die traditionellen Tiefdruck-Gebiete aus dem Norden da.
Stichwort Klimaerwärmung: Müssen wir mit ähnlichen Hitzewellen in Zukunft rechnen?
Im Zeitraum von zehn Jahren war in der Regel ein Sommer mit hohen Temperaturen zu erwarten. Siehe 2003. Mittlerweile muss damit gerechnet werden, dass Sommer mit mehreren darauffolgenden Tagen über 30 und sogar 35 Grad, etwa alle drei Jahre zu erwarten sind.
Wird dieser prognostizierte Klimawandel unsere Gesellschaft vor Probleme stellen, oder gar überfordern?
Das passiert ja nicht von heute auf morgen. Und wir leben ja schon damit, messen der Entwicklung jedoch zu wenig Bedeutung zu.
Ein unterschätztes Beispiel?
Dürreperioden in Brasilien provozierten Ausfälle bei Kaffee- und Kakaoernten. Die Preise zogen stark an. Klima-Änderungen in anderen Regionen betreffen auch uns.
Im Sommer gibt es bis zu 75 Prozent Niederschlags-Ausfall, vor allem in Ost-Österreich. Kann die traditionelle Landwirtschaft diese Situation abfedern?
Eine wirtschaftliche Herausforderung. Ohne Flexibilität geht es nicht. Mais etwa braucht Wasser. Der Umstieg auf Klima-angepasste Kulturen ist unausweichlich.
Trockenheit und folgender Starkregen lösten heuer gewaltige Muren aus. Werden die Berge zur Gefahrenzone?
Stoppen wir die Erderwärmung nicht, dann ist das harmlos was wir heuer erleben. Die Gebirgs-Infrastruktur ist in Gefahr. Hochwasserschutz kann man argumentieren. Bauliche Sicherungen für Straßen zu drei Bauernhöfen ist aber kaum zu finanzieren.
Werden die jetzige und Nachfolgegenerationen die Herausforderungen meistern?
Ich setze auf die junge Generation und innovative Technik. Bei den Jungen gilt ein E-Auto bereits als Statussymbol. Und auch die Verbrennungsmotoren brauchten 100 Jahre, um auf den heutigen Stand zu kommen.
KURIER: Auf welche Situation müssen wir uns in Zukunft einstellen?
Hans-Peter Hutter: Die vergangene Hitzewelle ist ja kein Einzelereignis. Durch den Klimawandel hat die Zahl der Hitzetage, an denen die Temperatur 30 Grad Celsius übersteigt, in den letzten Jahrzehnten auch in Wien konstant zugenommen. Während es zwischen 1961 und 1990 im Schnitt 9,6 Hitzetage gab, stieg die Zahl zwischen 1981 und 2010 bereits auf 15,2 an.
Sie haben sich sehr mit den Auswirkungen der großen Hitzewelle in Frankreich im Sommer 2003 beschäftigt. Welche Lehren hat man daraus gezogen?
In Frankreich gab es 2003 mehr als 14.000 zusätzliche Todesfälle durch die Hitze - das hat damals viele schockiert. Es war ein nationales Trauma. Der Jubel, der in Anfangsphasen von Hitzewellen bei uns noch immer in den Medien zelebriert wird, ist dort deutlich verebbt.
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