Vom Opfer zum Täter erklärt

Vom Opfer zum Täter erklärt
Mediziner wollte Internet-Bande auffliegen lassen. Jetzt hat er nur Probleme.

Täter mit enormem Gewinnstreben und höchster Kreativität – so beschrieb Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamtes (BK), die vergangene Woche in der Ukraine festgenommenen sechs führenden Köpfe eines international tätigen Cybercrime-Kartells. Fahnder aus Belgien, Finnland, Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden ermittelten – unter Leitung der Wiener Staatsanwaltschaft – vier Jahre lang.

Mit fingierten Mails saugten die Kriminellen IBAN- sowie BIC-Codes (relevant für Internet-Banking) ihrer Opfer ab. In Österreich sind bis dato über 200 Fälle bekannt, Schaden 1,4 Millionen Euro. "Wir haben erst 25 Prozent des Materials ausgewertet. Weltweit wird der Schaden in die zig Millionen gehen", weiß Oberstaatsanwältin Eva Marek. Neben den Haupttätern wurden weitere 60 Verdächtige ausgeforscht bzw. festgenommen. Darunter sogenannte "Money Mulls". Sie stellen meist ahnungslos der Cybercrime-Mafia ihre Konten zur Geldüberweisung in den Osten zur Verfügung. Ein KURIER-Leser, der Mediziner Wolfgang Buchleitner, wurde beinahe Opfer der Hightech-Kriminellen. Er erklärt erstmals die Strategie.

Im Herbst 2014 wurde der pensionierte Arzt auf ein Mail einer Jobvermittlungs-Agentur aufmerksam. "Die Firma Asphalt suchte im EU-Raum Fotografen für defekte Ampelanlagen. Man wolle Reparatur-Aufträge lukrieren. Auf der in Deutsch gehaltenen Homepage wurde erklärt, dass die professionelle Kamera-Ausrüstung von dem Unternehmen bezahlt wird. Dazu aber bräuchte man IBAN- und BIC-Codes, um die 4000 Euro an mich zu überweisen", erklärt Buchleitner. Nachsatz: "Ein interessantes Angebot." Er suchte seinen Bank-Betreuer auf und fragte, ob man die Daten weitergeben kann. Buchleitner: "Ich bekam das Okay." Der Arzt mailte seine Daten. Das nächste Mail der Agentur beinhaltete einen Link zu der Firma, die den 4000-Euro-Fotoapparat an Buchleitner schicken würde. Er müsste nur die 4000 Euro dorthin überweisen. Der Arzt öffnete den Link: "Diese Präsentation war extrem unprofessionell. Jetzt wurde ich skeptisch und ging zur Kripo in Wien." Ein Beamter nahm eine Anzeige auf und leitete sie an die Staatsanwaltschaft weiter (die Unterlagen liegen dem KURIER vor).

Lupenreine Geldwäsche

Buchleitner wartete aber noch immer auf die 4000 Euro: "Ich hätte die Summe auf das angegebene Konto überwiesen und die Behörden informiert. So wären die Täter aufgeflogen. Denn die Kamera wäre wahrscheinlich nie eingetroffen. Dafür aber wären 4000 Euro über mein unauffälliges Konto in die Ukraine überwiesen worden. Das ist lupenreine Geldwäsche."

Stattdessen kam ein Anruf von seiner Erste-Filiale in Klosterneuburg. "Dort erklärte man mir, dass eine Überweisung aus Deutschland von 4000 Euro gestoppt wurde. Es bestünde der Verdacht der Geldwäsche. Bei einer Befragung durch die Klosterneuburger Polizei wurde klar, dass man mich der Geld-Manipulation verdächtigt. Erst als erkannt wurde, dass ich die Causa bereits angezeigt habe, sah man mich als Opfer."

Buchleitner aber hat ein weiters Problem. Die Erste Bank kündigte seine Bausparverträge, mit einem Verlust von 200 Euro: "Eine Frechheit. Dagegen gehe ich vor."

Weiterführender Link:

Cybercrime-Netzwerk war wie Konzern organisiert

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