"Kärnten hängt am Gängelband"

Im Abseits: Christian Benger rückt immer wieder von der Linie der rot-schwarz-grünen Koalition ab.
ÖVP-Chef Christian Benger spürt "massiven Druck aus Wien" und geht mit Partner SPÖ auf Crashkurs.

Er wettert gegen seine Koalitionspartner, stimmt zähneknirschend der Kärntner Neuverschuldung zu, spürt Druck von den Parteikollegen aus Wien und soll das Land, das wegen des 1,2-Milliarden-Kredits weitere Schulden macht, als Wirtschaftsstandort bewerben: Kärntens ÖVP-Landesrat Christian Benger spricht im KURIER-Interview über Sparzwang, Selbstbestimmung und seine DNA.

KURIER: Kärnten hat ein 1,2 Milliarden schweres HETA-Anleihen-Rückkaufangebot beschlossen. Der Zukunftsfonds ist Geschichte, ist das Land durch den Bundes-Kredit nicht quasi-entmündigt?

Christian Benger: Ja, Kärnten hängt jetzt tatsächlich am Gängelband des Bundes. Und ja, das ist ein furchtbarer Zustand. Aber es ist unsere einzige Chance, der Insolvenz zu entrinnen.

Was kann sich Kärnten überhaupt noch leisten, und wie wollen Sie als Wirtschaftsreferent den Unternehmen den Standort schmackhaft machen?

Vom Gesundheits-, Sozial- und Verwaltungssystem einmal abgesehen, ist alles infrage gestellt, bis wir eine Antwort von den HETA-Gläubigern erhalten. Die Wirtschaft ist nicht das große Problem. Wir haben sensationelle Steigerungen bei den Exporten, haben uns in unterschiedlichsten Sporten auf internationalen Märkten etabliert. Allerdings müssen wir die Hürden für Unternehmen reduzieren – das erwartet sich auch die Wirtschaft. In meiner DNA steht "ermöglichen" und "entwickeln". Die Jungen sind die Zukunft. Hier gilt es, die überschaubaren Geldmittel gezielt zu investieren, damit Ideen umgesetzt werden können. Dass sich in Kärnten viel bewegt, registriert man auch in Wien.

Apropos Bundeshauptstadt: Welches Feedback bekommen Sie von Ihren Parteikollegen aus Wien? Was sagt beispielsweise Finanzminister Hans Jörg Schelling, wenn Kärnten ein Budget für 2016 mit einer Neuverschuldung von 130 Millionen Euro präsentiert und wenn aufgrund der Bundes-Kredite sogar Strafzahlungen drohen?

Es gibt einen intensiven Austausch mit Schelling. Aus Wien kommt Druck, massiver, maximaler Druck – hauptsächlich bezüglich der Angebotslegung für die Gläubiger im Zusammenhang mit dem jetztigen HETA-Anleihen-Rückkaufsangebot. Aber mit dem Budget bin ich natürlich ebenfalls sehr unglücklich. Es trägt nicht meine Handschrift, das ist nicht meine Denke.

Sie haben es aber mitbeschlossen. Und die Neuverschuldung ist ja nicht nur mit Kosten für die HETA und für Flüchtlinge zu erklären.

Ich bin in einer Koalition, und Kooperationen zeichnen trotz unterschiedlicher Ansichten und Weltanschauungen eine Partnerschaft aus. HETA-Kosten sind nicht abwendbar, bei Flüchtlingen könnte man jedoch schon lenkend mit Sachleistungen eingreifen. Aber unterm Strich knallt eine Neuverschuldung von 130 Millionen, die verdeutlicht, dass wir dringend Bereinigungen durchführen müssen, das muss man deutlich sagen. Wir liegen ja in den Bereichen Verwaltung, Gesundheit und Soziales sogar über dem Österreich-Schnitt. Die Kärntner Bevölkerung erwartet sich von der Politik in dieser Phase Kostenreduktionen. Und nur wenn wir das jetzt angehen, können wir in absehbarer Zeit wieder selbstbestimmt sein.

Laut Rechnungshofbericht könne Kärnten im Spitalsbereich 83 Millionen Euro jährlich einsparen. Kärnten habe die zweitmeisten Spitalsbetten aller Bundesländer. Sehen Sie sich damit in Ihrer Kritik an Gesundheitsreferentin Beate Prettner bestätigt?

Die Summe beunruhigt mich sogar, weil laut Prettners Gesundheitsplan nur zehn Millionen eingespart werden. Wenn man bedenkt, dass der Rechnungshof vorsichtig und konservativ rechnet, sind da offensichtlich andere Dimensionen möglich.

Sollte man die Standortgarantie für Spitäler überdenken?

Wir brauchen Leistungsgarantien, man muss hinterfragen, welcher Standort welche Leistungen bietet. Ohne ein Konzept für Leistungsgarantien brauchen wir über alles andere nicht diskutieren. Die mangelnde Bereitschaft zum Sparen betrifft aber auch andere SP-Referate: Ich spare, und die anderen beschäftigen sich mit Verhindern, Abwehren und einer Beibehaltung des aktuellen Zustandes.

Wäre diese Koalition ohne Kärntner Finanzkrise nicht schon längst geplatzt?

Kaffeesudlesen.

Nützen Sie Ihre Rolle als Zünglein an der Waage dieser Partnerschaft zu wenig?

Nur als Landesrat kann ich meine Strategien in den Bereichen Wirtschaft, Tourismus oder Kultur durchsetzen. Aber ich versuche natürlich, auf meine Partner einzuwirken. Denn es kann ja nicht sein, dass ich einen Sparschritt nach dem anderen setze, und die Koalitionspartner nichts dergleichen tun. Ein Beispiel: Ich habe die Personalbudgets im Stadttheater und der Landwirtschaftskammer eingefroren und verteidige damit auch die Arbeitsplätze der Betroffenen. Aber in der Verwaltung wird über Dienstrechtsreform und Nulllohnrunde diskutiert. Es muss einfach gemacht werden. Wir können uns diesen ganzen Zinnober ja ehrlich gesagt nicht mehr leisten. Wenn eine Familie zwei Autos besitzt und diesen Luxus finanziell nicht mehr packt, muss eines weg. Ich sehe die Krise als Chance: Das Land muss vieles über Bord werfen und sich neu aufstellen.

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