Mehr Anklagen nach Hass-Postings

Mehr Anklagen nach Hass-Postings
Verhetzung: Justizminister fordert Selbstkontrolle bei Facebook und erhöht Strafen, Richter sind noch zurückhaltend

Nächste Woche trifft Justizminister Wolfgang Brandstetter Vertreter von Facebook Österreich. Er will, dass die Betreiber der Internet-Plattform Hasspostings auf Basis unserer Straftatbestände überprüfen und schneller aus dem Netz löschen (siehe unten), damit nicht erst die Strafjustiz in Gang gesetzt werden muss. Aber auch in diese Richtung will Brandstetter nicht zuletzt wegen der menschenverachtenden Postings zur Flüchtlingskrise nachschärfen.

Ab 1.1.2016 sind Veröffentlichungen von Gewalt- oder Hasspropaganda in Wort oder Bild ausdrücklich strafbar. Das „Aufstacheln zum Hass“ und nicht nur, wie bisher, die Aufforderung zur Gewalt ist mit bis zu zwei Jahren Haft bedroht. Es reicht, wenn die Verhetzung rund 30 Menschen erreicht. Bei einem breiteren Publikum (150 Personen) stehen bis zu drei Jahren auf dem Spiel. Und bis zu fünf Jahre, wenn das Aufhetzen jemanden zu einer Gewalthandlung anstachelt.

Die Zahl der Anklagen nach Anzeigen wegen Verhetzung steigt, die meisten münden vor Gericht in Schuldsprüchen: Heuer haben die Staatsanwaltschaften bereits in 35 Fällen Anklage erhoben, im gesamten Vorjahr waren es 40, davon gab es in 30 Fällen eine Verurteilung.

Wobei sich die Richter schwer tun, eine klare Grenze zwischen erlaubten Verunglimpfungen und verpönten Verletzungen der Menschenwürde zu ziehen.
Ein 20-jähriger Tiroler machte auf Facebook folgenden Eintrag: „Warum gibt’s in da Türkei koane Samenspender? Weil die ganzen Wixxa bei uns sein.“ Er wurde wegen Verhetzung zu einer teilweise nur bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 480 Euro verurteilt. Durch das derbe Schimpfwort „Wichser“, ,im Sinne von „die ganzen Wichser aus der Türkei“ (aus dem Urteil), habe der 20-Jährige Personen türkischer Herkunft als minderwertig dargestellt. Der Verurteilte legte Rechtsmittel ein und hatte damit vor dem Oberlandesgericht (OLG) Innsbruck Erfolg. Der Berufungssenat konnte keine Verletzung der Menschenwürde erkennen und stimmte der Verantwortung des Facebook-Nutzers zu, es habe sich lediglich um einen Witz gehandelt. Immerhin habe er ja an das Ende seiner Äußerung ein Smily mit Augenzwinkern gesetzt, das für „Nimm’s nicht ernst“ stehe.
Weil der 20-Jährige Begriffe wie „Untermenschen“, die „alle weggeräumt gehören“, vermieden und die Angesprochenen auch nicht auf eine Stufe mit als minderwertig geltenden Tieren gestellt habe, wurde er vom OLG vom Vorwurf der Verhetzung freigesprochen.

Auch wenn es zu Verurteilungen kommt, scheinen sich die Strafen bisher in Grenzen zu halten. Ein HTL-Schüler hatte im Klassenzimmer ein Flugblatt aufgehängt, auf dem er gegen Ausländer hetzte. Da war unter anderem von „gebogenen Nasen“ die Rede. Er wurde zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Staatsanwaltschaft war das zu wenig Strafe, der Oberste Gerichtshof erhöhte – auf sechs Monate, ebenfalls bedingt.

Proteste wirkten

Zu zwei Jahren bedingt wurde am Montag in Linz ein Friseur verurteilt, der Hass-Postings gegen Juden abgesondert hat. „Ich könnte alle Juden töten. Aber ich habe einige am Leben gelassen, um euch zu zeigen, wieso ich sie getötet habe“, schrieb der gebürtige Türke im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt.

Die Staatsanwaltschaft Linz hatte das Verfahren zunächst eingestellt. Das sorgte für Protest unter anderem der Welser Antifa, des Netzwerks gegen Faschismus und Antisemitismus und der Österreichisch-Israelitischen Gesellschaft. Politiker wie der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, und SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim schalteten sich ein. Nach einem Fortführungsantrag des Rechtsschutzbeauftragten der Republik Österreich setzte die Staatsanwaltschaft das Verfahren fort und erreichte einen Schuldspruch.

Facebook lässt diskutieren

Facebooks ungewöhnliche Löschpolitik sorgt bereits seit Jahren für Diskussionen. Während hetzerische Beiträge auch nach unzähligen Beschwerden online bleiben, werden Fotos mit sichtbaren Nippeln im Rekordtempo gelöscht. Eine absurde Situation, verbieten Facebooks Regeln doch Nacktheit ebenso explizit wie Hassbotschaften. Doch viel zu oft bekommen Facebook-Nutzer, die fragwürdige Beiträge melden, als Antwort „Wir haben den von dir gemeldeten Beitrag geprüft und festgestellt, dass er nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt.“

Jeder Facebook-Nutzer hat die Möglichkeit, einen Beitrag mit nur drei Klicks zu melden. Diese Beiträge bleiben während der Prüfung online und werden an Facebooks Community-Team weitergeleitet. Dabei lagert man diese Aufgabe aber an die Facebook-Standorte in Irland, Indien und Amerika aus, in Österreich oder Deutschland werden keine Mitarbeiter beschäftigt. Laut Facebook sind „hunderte Mitarbeiter rund um die Uhr“ dafür zuständig, die „mehrere Millionen Kommentare pro Woche“ prüfen. Die deutschen Beiträge werden aber von Mitarbeitern geprüft, die die deutsche Sprache beherrschen.

In Deutschland hat Facebook bereits auf die Vorwürfe reagiert und kündigte ein Maßnahmen-Paket an. Das ist aber relativ handzahm. So soll eine Task Force Lösungen erarbeiten und Kampagnen „Gegenrede“ fördern. Facebook-Mitglieder sollen so zum Diskutieren erzogen werden. Missfällt einem Facebook-Nutzer ein Beitrag, soll er lieber darauf mit Argumenten antworten statt diesen zu melden. Um den umstrittenen Löschprozess dennoch zu verbessern, wird Facebook aber Mitglied beim Verein Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Anbieter (FSM). Dieser Verein prüft die Einhaltung des deutschen Jugendmedienschutzes, allerdings nur auf freiwilliger Basis. Facebook will künftig mit dem Verein gemeinsam Beiträge überprüfen, um so besser auf komplizierte Fälle reagieren zu können. Ob Facebook durch diese Partnerschaft rigoroser gegen Hasspostings vorgehen wird, ist noch unklar. Der deutsche Justizminister Heiko Maas wünscht sich allerdings, dass derartige Beiträge binnen 24 Stunden gelöscht werden. Er will neben Facebook künftig auch Google, Twitter und YouTube in die Pflicht nehmen.

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