Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial

Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial
Mehr gemeinnützige Aktivität könnte den Arbeitsmarkt in Österreich kräftig ankurbeln.

Dass Engagement in Vereinen zahlreiche positive Effekte – von der gesellschaftlichen Bedeutung bis zur persönlichen Anerkennung – hat, ist bekannt. Gemeinnützigkeit schafft aber auch Arbeitsplätze. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie unter Leitung des Wirtschaftsexperten Gottfried Haber von der Donau-Universität Krems. Die Untersuchung im Auftrag der Vinzenz Gruppe sieht ein zusätzliches Potenzial von 24.000 Jobs in Österreich.

Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial

Österreichweit engagieren sich vier Millionen Menschen freiwillig – rund zwei Millionen in Vereinen, Institutionen und Organisationen ("formelle Freiwilligenarbeit"). Dazu kommen weitere mehr als zwei Millionen Österreicher, die "informell", also im privaten Bereich, unentgeltlich tätig werden.

Gottfried Haber rechnet in seiner Studie etwa 70.000 Arbeitsplätze dem Bereich Gemeinnützigkeit zu. Er spricht von rund "10 Milliarden Euro an jährlicher Wertschöpfung", die durch den Freiwilligen-Sektor in Österreich entstehen. Damit liegen wir im Nachbarschaftsvergleich zurück: "Das Aktivitätsniveau ist derzeit noch deutlich niedriger als beispielsweise in Deutschland, wo etwa vier Prozent des BIP der Gemeinnützigkeit zuzuordnen sind. Auf Österreich übertragen, wären dies etwa 13 Milliarden Euro", sagt Haber. Aktuell hält Österreich bei etwa drei Prozent des BIP. "Eine Anhebung der gemeinnützigen Aktivität in Österreich durch geeignete Maßnahmen auf das deutsche Niveau würde daher schätzungsweise 3 Milliarden Euro an zusätzlicher Wertschöpfung sowie etwa 24.000 Jobs bringen", schlussfolgert Haber.

Sozialbereich

Das größte Potenzial für zusätzliche Freiwillige und hauptamtliche Mitarbeiter hat der Sozialbereich, da er die höchsten Steigerungsraten aufweist. Das geht aus dem österreichischen Wirtschaftsbericht 2015 hervor, der folgende Zahlen nennt: "Im Non-Profit-Sektor arbeiteten im Jahr 2010 Hochrechnungen zufolge 5,2 % aller in Österreich Erwerbstätigen über 15 Jahren. Es bestanden ca. 212.000 Vertragsverhältnisse, wobei in den 10 Jahren zwischen 2000 und 2010 eine deutliche Zunahme zu verzeichnen war (rund 39 %). Der größte Anteil dieser Beschäftigten war im Sozialwesen beschäftigt (36 %)."

Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial
Wien. Juni 2013. Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes. Portrait in Uniform. Querformat
Zahlen, die der "oberste Freiwillige" des Roten Kreuzes, Präsident Gerald Schöpfer, gut nachvollziehen kann. "2004 zählte das Rote Kreuz 46.000 Freiwillige und etwa 5000 hauptamtliche Mitarbeiter. Heute sind es knapp 70.000 Freiwillige und etwa 7500 Hauptamtliche." Die Freiwilligen seien somit der Motor für Fix-Jobs. "Keinesfalls nehmen sie Hauptamtlichen die Jobs weg", sagt Schöpfer. Ein Kreislauf: Die ständige Ausweitung der Rotkreuz-Dienste ist nur mit steigender Zahl ehrenamtlicher Helfer zu stemmen. Und erst die Ausweitung der Leistungen bringt zusätzliche Fix-Jobs mit sich. "Mit reinen hauptamtlichen Mitarbeitern wäre unser System gar nicht zu finanzieren. Die Leistungen würden zurückgehen", erklärt Schöpfer.

Leonhard Bender, Wien, Rettungsdienst:

Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial
Leonhard Bender; arbeitet unentgeltlich bei einer Rettungsorganisation
"Ich glaube, dass meine Tätigkeit bei der Rettung wichtig ist. Dabei werde ich auch fachlich und menschlich gefordert. Außerdem bekomme ich während der Arbeit tiefe Einblicke in die Schicksale der Menschen. Über das Geld habe ich mir nie wirklich Gedanken gemacht, ich habe es einfach gemacht."

Klaus Sonnleitner, OÖ, Rettungsdienst:

Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial
Klaus Sonnleitner, Freiwilliger Rotes Kreuz
"Ich arbeite gern freiwillig, weil ich Menschen in Notsituationen unterstützen will. Auch persönlich lerne ich viel. Ich habe die Scheu vor bestimmten Situationen verloren und weiß jetzt, wie ich am besten Erste Hilfe leiste. Auch das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Organisation gefällt mir."

Rene Enengel, NÖ, Feuerwehr:

Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial
"Meiner Meinung nach ist es eine sinnvolle Tätigkeit, Menschen in Not zu helfen, denn man selbst ist auch froh, dass einem jemand hilft, wenn man Hilfe benötigt. Außerdem bildet sich in der Truppe eine tolle Gemeinschaft, mit der man gemeinsam Erlebnisse – egal, ob gut oder schlecht – teilen kann."

Marianne Wiedemann, Wien, Angestellte:

Freiwilligenarbeit: 24.000 neue Jobs als Potenzial
"Ich bin selbst nirgends ehrenamtlich tätig, dennoch finde ich es gut, dass es so viele Leute gibt, die freiwillige Arbeit verrichten. Denn ich bin froh, zu wissen, wenn ich Hilfe benötige, dass es Leute gibt, die mir dabei helfen. Außerdem können durch freiwillige Tätigkeiten oft Leben gerettet werden."

In Niederösterreich nimmt man die Ergebnisse der Haber-Studie ernst und denkt bereits über mögliche Attraktivierungen der Freiwilligenarbeit nach. Der für den Arbeitsmarkt zuständige ÖVP-Landesvize Wolfgang Sobotka ist überzeugt: "Ehrenamtliche Tätigkeit ist auch eine Form der Wirtschaftsleistung, die positive Effekte für das BIP und den Arbeitsmarkt nach sich zieht. Klar ist, ohne das Engagement freiwilliger Helfer wären eine ganze Reihe von Angeboten in unserem Land nicht leistbar."

Rund 46 Prozent aller Österreicher engagieren sich als Freiwillige. Betrachtet man das organisierte Vereinswesen, so sind die meisten Ehrenamtlichen im kulturellen Bereich (Musik, Theater, etc.) zu finden. Nach Mitgliederzahlen gestaffelt folgen dahinter Sportvereine, der religiöse Bereich sowie Feuerwehr und Rettung (siehe Grafik). Im Schnitt werden pro Woche zwischen zwei und vier Stunden investiert.

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