„Dieser Pfarrer ist es nicht wert, dass man ihn hasst“

Missbrauchsopfer Harald Feistritzer, als Ministrant von Pfarrer in Großraming missbraucht, OÖ
Ex-Ministrant, der Priester Missbrauch vorwirft, nimmt sich trotz Klage kein Blatt vor dem Mund.

KURIER: Herr F., Sie werfen Pfarrer T. vor, Sie als Kind jahrelang sexuell missbraucht zu haben?
Harald F.: Ja, ich war 1982 zwölf Jahre alt, als es begonnen hat. Er hat in unregelmäßigen Abständen von mir verlangt, dass ich ihn entweder vor oder nach der Messe in der Sakristei mit der Hand befriedige. Manchmal ist er dabei zum Höhepunkt gekommen. Es war widerlich – ich hab’ mir aber nicht getraut, Nein zu sagen. Das Ganze hat bis 1984 gedauert, dann habe ich als Ministrant aufgehört.

Gab es für Sie keine Möglichkeit, sich jemandem anzuvertrauen?
Nein. Ich war ein Sonderling und Außenseiter, der nicht ernst genommen wird. Ich hab’ zwar meinen Eltern davon erzählt, doch die haben mir nicht geglaubt. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass eine Respektsperson wie der Herr Pfarrer so etwas tut. Damals hab’ ich auch das Wort Missbrauch noch nicht gekannt.

Welche Folgen hatten die unfreiwilligen Übergriffe für Sie?
Ich habe einen psychischen Knacks davongetragen. In meinen Beziehungen hatte ich immer wieder Probleme, meine Sexualität auszuleben. Am Arbeitsplatz habe ich es nicht geschafft, einem Vorgesetzten zu widersprechen. Ich war gegenüber Autoritäten extrem duckmäuserisch.

Heißt das, Ihre Situation hat sich diesbezüglich verbessert?
Ja, aber erst seit ich eine Psychotherapie mache. Die Klasnic-Kommission hat mich 2011 als Missbrauchsopfer anerkannt und mir 5000 Euro und 30 Therapiestunden zugesprochen. Die Therapiesitzungen sind zwar extrem anstrengend, helfen mir aber auch, das Geschehene zu verarbeiten. Ich traue mich jetzt auch offen auf Menschen zuzugehen.

Pfarrer T. behauptet, dass Ihre Vorwürfe nicht stimmen würden. Er wehrt sich gegen Sie mit einer Unterlassungsklage im Streitwert von 126.000 Euro.
Davon lasse ich mich sicher nicht einschüchtern. Er hat mich missbraucht, das ist die Wahrheit. Wenn er aber unbedingt meint, werden wir das vor Gericht ausfechten.

Die Kommission der Diözese Linz kam zu der Ansicht, dass Ihnen zwar Leid zugefügt worden sein dürfte, Pfarrer T. aber nicht schlüssig der Täter sein muss – und vielleicht eine Personenverwechslung vorliegt?
Sie können mir glauben, eine Person, die einem in der Kindheit so etwas angetan hat, vergisst man sein ganzes restliches Leben nicht mehr.

Falls T. aber mit seiner Klage durchkommt, sind Sie ruiniert?
Ja, aber dieses Risiko bin ich im Sinne der Wahrheit gerne bereit, einzugehen. Ich bin optimistisch, dass das bei Gericht auch so gesehen wird.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie an T. denken – kommt Hass auf?
Nein. Er ist es gar nicht wert, dass man ihn hasst – denn was man hasst, hat man einmal geliebt. Er tut mir aber höchstens leid in seiner Armseligkeit. Ich will allerdings, dass er für seine Taten in irgendeiner Form zur Verantwortung gezogen wird.

Falls er auf Sie zukommen würde und Ihnen einen außergerichtlichen Vergleich anbietet, würden Sie darauf eingehen?
Das käme ganz auf sein Angebot an. Er müsste mir aber finanziell schon einiges anbieten, damit ich es in Zukunft unterlasse, über den Missbrauch zu reden.

Sind Sie eigentlich noch Mitglied der Katholischen Kirche?
Ich glaube an ein Leben nach dem Tod – mit der Katholischen Kirche will ich aber nichts mehr zu tun haben.

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