„Arbeit schafft keinen Reichtum“

„Unsere Gesellschaft ist an einem Sättigungspunkt angelangt“, sagt die Mühlviertler Regisseurin Johanna Tschautscher (46). Zwei Jahre hat sie für ihren neuen Film recherchiert.
Im Film „Too BIG to tell“ durchleuchtet die Regisseurin Johanna Tschautscher die Finanzindustrie.

Eigentlich wollte Johanna Tschautscher ihren Film „Die Finanzmaschine“ nennen. Als aber Wirtschaftsexperten beim letzten Testscreening in München erneut zu debattieren anfingen, wählte sie den Titel „Too BIG to tell“. „Nach zwei Jahren Recherche kann ich als Journalistin keine einfachen Antworten liefern. Die Dinge sind zu komplex“, resümiert die Lichtenberger Regisseurin.

Erben und Straftaten

Eine Erkenntnis für Tschautscher war aber, dass wir in einem „Schuldgeldsystem“ leben. „Geld entsteht durch die Kreditvergabe. Alles Geld, das es in der Welt gibt, ist die Schuld von jemand anderem. Menschen, die mehr besitzen, können in diesem System etwas anlegen. Die, die nichts haben, müssen sich verschulden und sogar mehr zurückzahlen, als sie ausgeborgt haben.“ Das sei auch positiv. Wenn man Geld ausborgen kann, erhält man zumindest eine Chance, sich durch Arbeit etwas aufzubauen, mache sich gleichzeitig aber auch zum Sklaven. Denn dass man durch Arbeit reich werden könne, sei ein Mythos. „Vermögen entsteht in erster Linie durch Erbschaften. Danach kommen Straftaten, Schenkungen, Vermietungen, Zinsen und am Ende der Liste steht erst die Erwerbstätigkeit.“

Millionäre wollen zahlen

In Deutschland gibt es die Organisation „Appell Vermögensabgabe“, die mehr als 60 Millionäre vereint. Diese fordern eine Steuererhöhung für Reiche. „Einer dieser Millionäre ist Günter Grzega von der Sparda Bank. Er sagt, wir sind schon so reich, ihr müsst uns mehr wegnehmen. Schulden sind immer das Vermögen eines anderen. Wenn wir aber jetzt schon soviel Vermögen haben, könnt ihr uns das niemals zurückzahlen“, schildert die 46-Jährige. Rund alle 80 Jahre kommt es in der Geschichte zu dieser massiven Verteilungskrise.

Ein weiterer Punkt, den Tschautscher in ihrem Film anspricht, ist, dass Banken für die Ausgabe von Krediten keine Spareinlagen brauchen. „Das Volumen der neu ausgegebenen Kredite 2010 war sieben mal so hoch, als alle Ersparnisse dieser Welt.“ Bei anderen Gegenwerten von Krediten wie Grundstücken oder Aktien hätten die Banken dagegen riesige Spielräume. So entstehen Blasen. Platzt eine Blase, dann rettet im Universalbankbereich die Geschäftsbank die Investmentbank. Danach muss der Staat die Geschäftsbank wegen den Sparern retten. So würden aus Bankenkrisen Staatenkrisen.

Neben vielen anderen Mechaniken wird in ihrem Film auch erklärt, wie mit Angst am sieben Billionen Dollar schweren Derivatemarkt Geld gemacht wird. Beim Derivatemarkt (Verträge auf zukünftige Geschäfte) werde laut Tschautscher offenkundig, wie sehr wir uns menschlich amputieren. „Wozu brauchst du Vertrauen oder Handschlagqualität, wenn du alles versichern und alles mit Geld regeln kannst? Wir verlernen auf diese Weise unsere sozialen Fähigkeiten.“ Tschautschers Ansporn, die Finanzindustrie zu untersuchen wurzelt in ihrem Film über die sizilianische Cosa Nostra. „Ich habe damals mit einem Staatsanwalt zusammengearbeitet. Er hat herausgefunden, dass Mafiosi enorme Summen in Aktien investieren und damit Unternehmen unterwandern. Das hat mich interessiert.“

Henry Ford hat gesagt: Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh. Ob die Lichtenbergerin das erreichen kann? „Nein, ich möchte Menschen berühren und versuche, die vielen Rädchen zu zeigen.“ Gibt es Alternativen zum System? Es gibt Ansätze, die ich in meinem Film zeige: Beispielsweise soll noch heuer eine Bank für Gemeinwohl gegründet werden.

Am 9. Mai findet im Moviemento in Linz die Premiere von „Too BIG to tell“ statt. Weitere Vorführungen sind von 10. bis 16. Mai. Infos unter www.tschautscher.eu

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