"Weil wir einfach Beißer sind"

Für Krenn (li.) und Baier ist es eine arbeitsintensive Zeit. Ein Kassasturz der Stadtfinanzen und Strategien zur Multiversum-Zukunft stehen an
Bürgermeisterin Karin Baier und Vize Brigitte Krenn im Interview.

Von 573 Gemeinden in NÖ werden nur 56 von einer Frau regiert. In Schwechat leiten mit SPÖ-Bürgermeisterin Karin Baier und ihrer Grünen Stellvertreterin Brigitte Krenn seit März gar zwei Frauen die Geschicke der Stadt. Ein Gespräch über Führungsstile, Männerbünde und die Zukunft der Stadt.

In der Vergangenheit haben SPÖ und Grüne oft unterschiedliche Positionen bezogen. Wie findet man nun Kompromisse?

Brigitte Krenn: Da sind wir noch in der Einübungsphase. Ich habe aber nicht den Eindruck, als wären Welten dazwischen. Weil der Karin auch ganz klar ist, in Schwechat muss was passieren.

Karin Baier: Man muss auch der Ordnung halber sagen: Zu gewissen Entscheidungen sind wir gezwungen, weil sie mitten im Laufen sind. Gegen die wir uns de facto nicht wehren können. Es ist eine große Herausforderung.

Was werden die nächsten Schritte in Sachen Multiversum oder Budget sein?Baier: Wir haben uns darauf verständigt, dass wir keinen Zwischenstand rausgeben wollen – auch um Spekulationen keinen Raum zu geben. Es wird ein Kassasturz gemacht und die Interpretation der Ergebnisse wird auch von Experten begleitet sein.

Würden Sie sagen, dass Sie beide einen anderen Führungsstil haben?Baier: Davon gehe ich aus. Ich glaube grundsätzlich, dass Frauen im Leben und demnach auch in der Politik einen anderen Zugang zu manchen Dingen haben. Und ich glaube auch, dass sich das gerade bei uns politisch relativ stark auswirken wird.

Krenn: Ohne beurteilen zu können, wie unsere Vorgänger im Umgang mit Mitarbeitern waren. Ich glaube, dass wir mehr zuhören – auf Argumente hören.

Machen Frauen generell anders Politik als Männer?

Baier: Ich hoffe es. Ich glaube einfach, dass Männer und Frauen zu gewissen Dingen einen anderen Zugang haben. Frauen können mit der ihnen gegebenen Empathie lockerer umgehen.

Krenn: Ich denke da eher an Projekte. Ich will mir kein Denkmal setzen, zum Beispiel. Vielleicht ist das auch ein Unterschied: Ich glaube, dass die kleineren Dinge oft die Wichtigeren sind.

Baier: Vielleicht haben wir auch einen etwas besseren Blick dafür, dass viele Kleinigkeiten am Jahresende eine ziemliche Summe ausmachen können.

Also braucht Schwechat weibliche Politik?

Baier:Nachdem wir beide wenig Ambitionen haben, uns mit einem Riesen-Projekt ein Denkmal setzen zu wollen: Ja, Schwechat kann momentan zwei Frauen an der Spitze gut vertragen.

Woran scheitern Frauen vielfach? Liegt es an der Existenz der "Männerbünde"?

Baier: Ich muss leider sagen, dass es die wirklich gibt. Ich glaube, dass Frauen grundsätzlich sehr netzwerkfähig sind. Aber diese richtigen Männerrunden, wo die Granden aller möglichen Vertretungen dabei sind, da sind wir nicht straight genug dafür. Man stößt recht rasch auf die Männerbünde. Bei Veranstaltungen sind dann halt 90 Prozent Männer. Ich kann mich durchaus gut positionieren, aber der erste Einstieg ist manchmal schwierig. Da kann es passieren, dass man als Mädchen mit einem Glas Sekt verwöhnt wird – und dann heißt es, stell dich irgendwo hin, damit die Männer ihre Gespräche führen können. Ich sage das jetzt absichtlich zynisch. Die behandeln dich super-nett, aber ich glaube, wir müssen noch einiges tun, damit wir gleich ernst genommen werden.

Was braucht es, um als Frau in der Politik erfolgreich zu sein?

Baier: Ich glaube, dass ausreichendes Hintergrundwissen und eine gute Vorbereitung auf Termine wichtig sind. Weil man dann auch sicherer auftreten kann.

Krenn: Ich würde sagen, dass man nicht immer im Hinterkopf haben sollte, auf was man alles Rücksicht nehmen muss. Bei uns Frauen steht auch immer die Frage im Hintergrund: Kann ich das alles bewältigen? Anstatt zu sagen: vielleicht bewältigt das jemand anderer für mich.

Baier: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir fühlen uns immer für so viele Dinge verantwortlich. Ich glaube, dass ein Mann, der etwas will, nicht eine Sekunde darüber nachdenkt, wer in Zukunft mittags mit dem Hund geht.

Warum tun Sie sich die Verantwortung an?

Krenn: Man ist auch in der Politik, weil man was verändern will. Ich sehe eine Chance darin, Schwechat so zu gestalten, wie wir Grüne glauben, dass es mehr Lebensqualität bedeutet. Natürlich ist es ein großes Risiko: Die Situation, in der Schwechat derzeit steckt und die Frage, ob wir das wirklich alles so auf die Reihe bekommen. Man muss es einfach versuchen.

Baier: Ich glaube einfach daran, dass Schwechat eine extrem lebenswerte Stadt ist. Wir hoffen, Schritt für Schritt die Probleme lösen zu können, die wir zum Teil geerbt haben, oder die sich aus dem Ererbten ergeben. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum jetzt zwei Frauen vorne sind. Weil wir einfach Beißer sind und wir, wenn wir uns etwas vornehmen, sehr konsequent daran arbeiten. Wir sind mit dieser Stadt einfach an einem Punkt angekommen, wo es nur ein aufwärts gehen kann.

Bringt hier die Rot-Grüne Koalition Verbesserungen?

Krenn: Manches ist vom Weg her vielleicht nicht so einfach wie früher, weil die Kommunikation erst aufgebaut werden muss. Es ist aber auch offener und vielfältiger.

Baier: Ich bin sicher, dass wir verpflichtet sind, mehr nachzudenken. Es gibt mehr Input und auch etwas andere Blickwinkel. Ich glaube wirklich, dass das gerade in der jetzigen Zeit eine sehr gute Lösung ist.

Wie viel Freizeit haben Sie bei all den Aufgaben derzeit überhaupt?

Baier: Momentan sehr wenig, weil ich nebenbei noch eine Jungbuchhändlerin bin. Und ich an den Wochenenden, da wo terminlich Lücken sind, gelegentlich am Büchertisch stehe und meine Tochter unterstütze. Die Tage sind aber generell verschieden. Zuletzt habe ich für bürgermeisterliche Aufgaben 74 Wochenstunden gezählt.

Krenn: Ich habe vorigen Donnerstag meinen letzten Arbeitstag in Wien gehabt. Jetzt bin ich nur noch für Schwechat da. Anders würde es sich nicht ausgehen.

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