Kampf um die freie Fahrt im Wald

Mit „Trutzpartien“ wollen die Biker auf ihren Wunsch nach einer Gleichstellung mit Wanderern aufmerksam machen. Auf vielen Forststraßen darf das Rad nur getragen werden
Sportler fordern generelle Freigabe der Forststraßen; Minister und Jäger sind dagegen.

Am Samstag radeln sie wieder: Hunderte Mountainbiker wollen bei einer "Trutzpartie" durch Wien auf ihre Forderungen aufmerksam machen: Das freie Wegerecht für Biker auf Forststraßen und Wanderwegen. Auch die Naturfreunde Österreich sowie die Radlobby fordern die Freigabe der Forststraßen – wie es etwa in Deutschland üblich ist. Der Wald wird einmal mehr zu Konfliktzone.

Rund 800.000 Mountainbiker gibt es in Österreich, 200.000 allein in Wien. Tendenz stark steigend. Ihnen stehen 25.000 Streckenkilometer zur Verfügung. Vor allem in Ostösterreich hinkt das Angebot aus Sicht der Biker jedoch hinterher. "Gerade im Wienerwald ist es schwierig. Es gibt viele Wanderer und sensible Zonen. Die angebotenen Strecken sind alt und wenig anspruchsvoll. Dadurch schafft man einen Wildwuchs bei den Mountainbikern", erklärt Sportler Jochen Karl vom Verein Wienerwald Trails.

Vermehrt Anzeigen

Verlässt man die ausgewiesenen Routen, ist man als Biker illegal unterwegs. Denn das Forstgesetz gestatte zwar Erholungssuchenden den Wald zu betreten – nicht jedoch zu befahren. Aus Sicht der Sportler anachronistisch. "In den vergangenen Jahren ist es vermehrt zu Anzeigen wegen Besitzstörung gekommen. Grundeigentümer und Jäger gehen immer stärker gegen Biker vor", sagt auch Dietmar Gruber, Geschäftsführer der Sportcommunity "upmove", die die samstägliche "Trutzpartie" veranstaltet. Sportler hätten sich schon einem Streitwert von 15.000 Euro gegenüber gesehen.

Obwohl sich immer mehr Initiativen und auch Regionalpolitiker den Forderungen anschließen, beißen sie auf Granit. "Eine generelle Freigabe wollen wir nicht", winkt Magdalena Rauscher-Weber, Sprecherin von Umweltminister Andrä Rupprechter. "Tatsache ist dass es jetzt schon ausreichend Angebote gibt, die laufend ausgeweitet werden."

Damit gibt das Ministerium den Grundeigentümern Rückendeckung. Die Landwirtschaftskammer lehnt eine Öffnung der Forststraßen vehement ab. Sie seien primär Arbeitsplätze. Rund 145.000 Betriebe müssten aus der Bewirtschaftung ihres Waldes ihr Einkommen erzielen. "Mit der Öffnung wird das Eigentumsrecht gestört", sagt Martin Höbarth von der Abteilung Forst- und Holzwirtschaft der Kammer. Er spricht gar von einer Teilenteignung.

Konflikte Aus Sicht der Kritiker spricht zu viel gegen eine Forststraßen-Öffnung. Bei offiziellen Routen gibt es eigene Verträge. Für die Instandhaltung der Forststraßen bekommen Grundeigentümer ein Entgelt von Tourismusverbänden und Gemeinden. Das würde dann wegfallen. "Auch aus ökologischer Sicht ist eine generelle Öffnung abzulehnen", so Höbarth. Rückzugsorte für das Wild würden weiter eingeschränkt, es komme zu vermehrten Wildschäden. Auch Konflikte zwischen Mountainbikern und Wanderern seien dann vorprogrammiert.

Die Argumente ziehen bei den Befürwortern der Öffnung nicht. Studien aus anderen Ländern würden etwa zeigen, dass sich das Wild an die Mountainbiker gewöhnt. Konflikte gebe es kaum, sagt "upmove"-Chef Gruber.

Fakt ist, der Druck auf den Naturraum steigt. Bei mangelnden Angebot weichen viele Biker auf illegale Routen aus. Im Wienerwald wurde der Bedarf erkannt, derzeit werden hier Pilot-Routen für ein modernes, legales Trail-Netz getestet (siehe unten).

Die Mountainbiker-Szene boomt und mit ihr das Bedürfnis nach neuen Herausforderungen und anspruchsvollen Strecken. Die Folgen: Sportler weichen vermehrt auf Wanderwege aus, manche legen sogar selbst im Wald Strecken, sogenannte Singletrails, samt Sprungschanzen an – natürlich höchst illegal.

Kampf um die freie Fahrt im Wald
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Doch nun kommt im Wienerwald Bewegung in die Szene. Die Initiative Wienerwald Trails will bis 2020 ein rund 100 Kilometer langes Trail-Netzwerk vom Anninger bis zum Kahlenberg umsetzen. Mit den bestehenden Strecken soll so ein legales und modernes Mountainbike-Streckennetz entstehen. Neue Singletrails sollen dabei ausschließlich den Bikern zur Verfügung stehen, Wanderwege auch für Sportler geöffnet werden.

Pilotprojekt

Unterstützung bekommen sie von den Österreichischen Bundesforsten, dem Biosphärenpark Wienerwald, dem Forstamt der Stadt Wien, dem Stift Klosterneuburg und dem Wienerwald Tourismus. Gemeinsam will man nun konkrete Strecken entwickeln. Die erste ist bereits in Planung. In Weidlingbach bei Klosterneuburg soll im Rahmen eines Pilotprojekts ein Trail-Park entstehen. "Das ist seit Jahren eine beliebte illegale Strecke", so Karl.

Derzeit werden diverse Gutachten erstellt, die Naturverträglichkeit geprüft und Haftungsfragen geklärt. Im Sommer rechnet Karl mit der Genehmigung, die Strecke ausbauen zu dürfen.

"Der Wienerwald ist eine Region, die extrem unter steigendem Freizeitdruck steht. Jährlich kommen rund 20 Millionen Besucher", erklärt Pia Buchner von den Bundesforsten. Man erhofft sich gewisse Lenkungseffekte. "Der Trail-Park bietet dann eine Entlastung der anderen Erholungsräume und es gibt weniger Nutzerkonflikte." Bei der Planung könne zudem auf ökologisch sensible Gebiete und den Naturschutz Rücksicht genommen werden, ergänzt Andrea Moser, Direktorin des Biosphärenpark Wienerwald.

Kampf um die freie Fahrt im Wald
Landesjäger , Präsident des Landesjagdverband Peter Lebersorger
Einer der obersten Jäger Österreichs und Generalsekretär der Landesjagdverbände, Peter Lebersorger, kann einer generellen Öffnung der Forststraßen nichts abgewinnen.

KURIER: Wie sinnvoll ist die Forderung nach einer Freigabe der Forststraßen?

Peter Lebersorger: Es geht um das Eigentumsrecht und die Arbeit im Wald. Das muss eine Entscheidung der Waldeigentümer sein. Eine Forststraße ist, wenn sie nicht freigegeben ist, eine Werkstätte und keine Sportstätte. Bei einer Freigabe müssten wir Jäger zudem sofort zu den Verpächtern gehen und unsere Verträge ändern. Wir würden dann viel weniger für unsere Jagdreviere zahlen. Eine völlige Freigabe der Forststraßen wäre eine Enteignung.

Worin besteht die Problematik?

Die Haftung würde auf den Eigentümer übertragen. Wenn jetzt einem Fußgänger ein Baum auf den Kopf fällt, regressiert der wegen Fahrlässigkeit beim Eigentümer. Auch die Jagd würde schwieriger und unvorhersehbarer werden. Wenn auf jeder Forststraße Mountainbiker unterwegs sind, muss ich das als Jäger einkalkulieren. Ein Spaziergänger bewegt sich mit drei bis vier km/h, das kann ich einschätzen. Ein Mountainbiker kommt viel schneller daher.

Sind Projekte wie im Wienerwald mit einem legalen Trail-Netzwerk die bessere Lösung?

Der legale Weg ist, wenn sich etwa ein Verein in Absprache mit dem Grundeigentümer auf Strecken einigt. Wenn das der Eigentümer entscheidet, akzeptieren wir Jäger das. Und jede Kanalisierung ist für das Wild sinnvoll.

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