2500 zusätzliche Asylplätze gesucht
An diesem klirrend kalten Morgen lächelt zunächst nur eine – die Sonne, die vom wolkenlosen Himmel auf das langsam erwachende Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen scheint. Rund 1650 Asylwerber starten in den Tag, beim Haupttor in der Otto-Glöckel-Straße 24 setzt reges Kommen und Gehen ein. Ernste Gesichter, unsichere Blicke, tief in die Jackentaschen vergrabene Hände, Atemwölkchen vernebeln die Mienen. Und dann, ganz plötzlich und mitten in der Menge, ein erstes Lächeln. Eine junge Mutter schaut ungläubig auf das bunte Weihnachtspaket, das ihr die fremde Frau für ihre beiden kleinen Kinder in die Hand gedrückt hat.
Die fremde Frau ist Niederösterreichs Asyllandesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger. Sie will sich in Traiskirchen ein Bild von der Lage verschaffen und hat Geschenke mit – Bücher, Puzzles, Spielzeug und warme Kleidung. Einige der rund 700 unbegleitenden minderjährigen Flüchtlinge können ihr Glück kaum fassen, als sie eines der begehrten Pakete in Händen halten.
Seit Monaten reißt der Zustrom von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten wie Syrien und Afghanistan sowie aus Krisengebieten wie Russland oder Somalia nicht ab. „Das Innenministerium tut alles, um die Zahl der Flüchtlinge hier zu senken. Erst jetzt sind wieder 200 in Wien untergekommen. Dass wir bis Jahresende die 2000er-Marke erreichen, schließe ich aber nicht aus“, sagt Kaufmann-Bruckberger. Ihr wurde bei ihrem Besuch in Brüssel vor drei Wochen signalisiert, dass noch mit weit mehr Kriegsflüchtlingen zu rechnen sei. Von den fast zwei Millionen Syrien-Flüchtlingen in der Türkei würden sich viele auf den Weg weiter nach Westen machen. Brüsseler Experten meinten hinter vorgehaltener Hand, die Flüchtlingswelle könne jene der Bosnien-Krise übersteigen – damals kamen rund 90.000 Flüchtlinge nach Österreich. „Wenn die Schätzungen stimmen, könnten bereits im März österreichweit 40.000 Asylwerber in Grundversorgung sein“, sagt Kaufmann Bruckberger. Derzeit nähert man sich der Zahl 30.000.
Verantwortung
Seit Monaten schieben sich Bund und Länder die Verantwortung zur adäquaten Unterbringungen von Asylwerbern in die Schuhe. Seit Monaten geschieht – trotz Warnungen von Einrichtungen wie UNHCR (UN-Flüchtlingskommissariat), Caritas und Bischofskonferenz – insbesondere seitens der Bundesländer zu wenig. „Wir haben keinen Platz mehr“, heißt es aus dem Innenministerium. Und das, obwohl sich die Betreuungskapazitäten des Bundes von fünf auf 13 Einrichtungen seit dem Sommer mehr als verdoppelt haben. Auch die erst vor wenigen Wochen zum Asylwerber-Quartier umgemodelte Magdeburgkaserne in Klosterneuburg ist bereits voll. Grund: Aktuell werden so viele Asylanträge gestellt wie seit zehn Jahren nicht mehr. Vergangene Woche waren es 1152 und täglich kommen durchschnittlich 200 hinzu.Der Hut brennt also lichterloh. Die Notwendigkeit, wie in Deutschland Zeltlager oder Containerdörfer für die Flüchtlinge zu errichten, wird immer greifbarer.
Stichtag 6. Jänner
Um ein solches Szenario abzuwenden, lud Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gestern zum Krisentreffen. Vertreter von Außen- und Verteidigungsministerium, der Bundesimmobiliengesellschaft, UNHCR, Ländern, Städten und Gemeinden sowie mehrere Hilfsorganisationen nahmen daran teil. Ergebnis: Bis zum 6. Jänner müssen 2500 zusätzliche Asylplätze in ganz Österreich geschaffen werden. Schon morgen, Freitag, müssen die teilnehmenden Organisationen konkrete Vorschläge für Unterkünfte liefern.
„Es richten sich große Hoffnungen an das Verteidigungsministerium“, sagte dazu am Mittwochabend der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck. Es sind also wieder die Kasernen, die als „Wundermittel“ herhalten sollen. NÖ-Asyllandesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger konkretisierte nach dem Treffen den Ernst der Lage: „Es geht um die Meldung von Notquartieren. Sogar Turnsäle und Speisesäle kommen jetzt über Weihnachten da in Frage.“
Kalt, aber sonnig. Ideales Wetter, um Fußball zu spielen. Im Hof der Klosterneuburger Magdeburgkaserne spielten sich am Mittwoch zwei Burschen und ein Mädchen gegenseitig einen kleinen Ball zu. „Hallo! Gut hier“, sagt einer der Burschen. Sein Deutsch reicht noch nicht aus, um zu plaudern. Er zeigt auf sich und sagt „Afghanistan“.
Nur wenige Tage nachdem die ersten 30 Flüchtlinge eingezogen sind, ist die Magdeburgkaserne voll belegt. 137 Flüchtlinge waren dort am Mittwoch untergebracht. Die Kapazitäten sind jetzt ausgeschöpft.
Bis zu 30 Tage bleiben die Flüchtlinge in der Kaserne. Die Sanitätsstation wurde reaktiviert, weil sechs Klosterneuburger Ärzte dort regelmäßig freiwillig ihren Dienste anbieten. „Die Stimmung in der Bevölkerung ist gut“, sagt Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager. Ab 1. Jänner wird sich auch die Caritas zusätzlich um die Flüchtlinge kümmern. Und die Stadt hat gemeinsam mit Spendern zwei Schaukeln und zwei Wippen für die Kinder in der Kaserne organisiert: „Die ORS prüft jetzt, ob die Schaukeln aufgestellt werden dürfen“, sagt Schmuckenschlager.
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