Polit-Phänomen ohne Abnützungserscheinungen
In Vorarlberg, wo am 21. September gewählt wird, wünschen sich schwarze und rote Funktionäre mehr Rückenwind von der Bundeskoalition. Aber auch in Eisenstadt oder Graz, wo nächstes Jahr gewählt wird, vermisst man Impulse aus Wien für den eigenen Urnengang. Und immer wieder stellen auch Landesfunktionäre beider Parteien die Koalition infrage, wenn es politisch gerade ins Konzept passt.
Einer hat sich seit Monaten nicht an solchen Debatten beteiligt. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll beobachtet in aller Ruhe von St. Pölten aus das Wahlkampfgetöse. Kein Wunder. Im Frühjahr 2013 konnte der Rekordzeit-Landeschef bei seiner Wahl die 50-Prozent-Marke überspringen. Und das trotz eines Frank Stronach, der sich damals noch im Aufwind befand.
Stabile Werte
Auch die aktuelle Fessel-Umfrage im Auftrag der VP-NÖ vom Juni signalisierte Pröll, dass er seit der Landtagswahl kein politisches Terrain verloren hat. Seine Gegner schwächeln. Das Team Stronach befindet sich auch in Niederösterreich-Umfragenim Keller, die Neos erst bei der Fünf-Prozent-Marke. Blau und Grün bewegen sich unter dem Bundestrend. Und das trotz der Querelen in der Bundeskoalition.
Kurzum: Während Werner Faymann und Michael Spindelegger gemeinsam um die 50-Prozent-Marke pendeln, schafft sie Pröll mit seiner Landes-ÖVP in Niederösterreich im Alleingang.
Viele Bundes- und Landespolitiker halten Pröll für ein einzigartiges Landes-Phänomen. Bei Wahlen kann er 20 Prozent zum Parteiergebnis dazupacken.
Der Erfolg liegt aber auch in der Organisation begründet. In keinem Bundesland gibt es mehr schwarze Funktionäre. Weit mehr als 100.000 Mitglieder zählen Partei und ihre Bünde. Diese Dominanz pflanzt sich bis in den letzten Winkel fort. Die Pröll-Partei stellt aktuell 428 von 573 Bürgermeistern.
Mit so einer Vormachtstellung lässt es sich leichter Politik machen. Und die Niederösterreicher schätzen es offenbar, dass ihr Landesvater bei Reizthemen keine Nachdenkpause braucht. Als zuletzt die Debatte um das überfüllte Erstaufnahmezentrum Traiskirchen ausuferte, verfügte Pröll kurzerhand einen Aufnahmestopp.
Auch bei Themen reagieren die Schwarzen schneller. Gesellschaftspolitische Debatten kürzt Pröll stets ab und beginnt – so es ihm ins Konzept passt – mit der Umsetzung. Das war etwa bei der Abschaffung des Pflegeregresses der Fall.
Gleichzeitig wurde mit dem Bau von Universitäten oder der Umstellung des Kulturbetriebs – vom Land der Blasmusik zur Event-Kultur – Modernität vermittelt. Mit ein Grund, warum die Niederösterreicher die Arbeit der Landesregierung besser bewerten (siehe Grafik).
Wie lange?
Das größte Rätsel ist, wie lange es Erwin Pröll in Niederösterreich gibt. Bei der nächsten Landtagswahl wäre er 71 Jahre alt. Der Boulevard drängt ihn bereits in die Rolle des ÖVP-Präsidentschaftskandidaten. Doch Pröll überhört derzeit all diese Zurufe. Einzig wenn seine Gegner versuchen, sein Alter zu thematisieren, reagiert er medienwirksam. Dann schwingt er sich aufs Rad und fährt die 700 Höhenmeter auf den Jauerling hinauf. Denn eines ist bei Erwin Pröll gewiss – er wollte stets hoch hinaus.
Porträt Erwin Pröll:
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