Auf einen Uhudler in die Amtsstubn

Saskia Jungnikl und Philipp Kroboth in der Kanzlei. Die beiden kennen sich seit ihrer Schulzeit.
Immer wenn Autorin Saskia Jungnikl in ihrer Heimat ist, darf ein Besuch in der "Kanzlei" nicht fehlen.

Hallo Saskia, schön dass du wieder einmal im Süden vorbeischaust", freut sich Philipp Kroboth, als Saskia Jungnikl "Die Kanzlei" in Güssing betritt. Die Begrüßung ist herzlich, kennen sich die beiden doch seit Jugendtagen. "Wir sind beide in Güssing zur Schule gegangen. Damals haben wir uns in der Schule oder beim Fortgehen getroffen, heute komm ich zum Essen oder auf ein Glas Uhudler zu Philipp in die Kanzlei", erzählt Jungnikl.

Schicksal verarbeitet

Auf einen Uhudler in die Amtsstubn
Vor gut zwei Jahren hat sich das Leben der Journalistin und Autorin gehörig gewandelt. Im März 2013 hat die damalige Standard-Redakteurin einen Artikel über den Suizid ihres Vaters veröffentlicht. Das Echo war enorm. "In den Tagen nach Veröffentlichung haben sich hunderte Menschen bei mir gemeldet. Unter anderem habe ich einen Anruf von einem Verleger aus Berlin bekommen. So entstand die Idee, ein Buch zu schreiben."

Rund eineinhalb Jahre später war es dann soweit – "Papa hat sich erschossen" lautet der Titel ihres Buches, das im Herbst 2014 erschienen ist. "Das Öffentlichmachen hat auch etwas mit Aufarbeitung zu tun. Es ist mir sehr leicht gefallen, das Buch zu schreiben, weil alles quasi schon in meinem Kopf vorhanden war. Ich musste es nur noch rauslassen", erzählt sie. Neben unzähligen Interviews für heimische Medien war die Jungautorin auch in zahlreichen deutschen Sendungen zu Gast, unter anderem hatte sie einen Auftritt in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". Und auch ein halbes Jahr nach Erscheinen von "Papa hat sich erschossen" ist der Terminkalender von Jungnikl mit Lesungen und Workshops zum Thema Suizid prall gefüllt.

Neben den beruflichen Veränderungen brachte das vergangene Jahr auch private mit sich. "Seit September pendle ich zwischen Wien und Hamburg." Zeit für einen Besuch in ihrer Heimat muss aber trotz Terminstress immer sein. "Je weiter ich weg bin, umso lieber komme ich nach Hause. Wenn ich drei bis fünf Wochen nicht zuhause war, werde ich ganz unruhig", sagt Jungnikl. "Ich brauche die Ruhe, liebe es spazieren zu gehen, ohne einen Menschen zu treffen."

Vom Juristen zum Koch

Auf einen Uhudler in die Amtsstubn
"Endlich gibt es ein Lokal, in dem ich mit mit Freunden treffen kann, wenn ich da bin", beschreibt Saskia Jungnikl ihr Lieblingslokal "Die Kanzlei". Tatsächlich hat die Bezirkshauptstadt in Sachen Gastronomie wenig zu bieten. Das hat sich auch Philipp Kroboth gedacht. Der Güssinger ist eigentlich Jurist, doch "nach dem Studium war klar, dass ich nicht in dem Beruf arbeiten möchte und kochen hat mich schon immer interessiert." So verschlug es ihn in namhafte Restaurants im In- und Ausland – unter anderem das Steirereck in Wien – um das Kochhandwerk zu lernen. Dabei immer im Hinterkopf, "irgendwann ein eigenes Lokal aufzumachen." Im Februar 2015 war es dann soweit, die Kanzlei wurde eröffnet.

Seither steht der "Anwalt in kulinarischen Sachen", wie Kroboth sich nennt, beinahe täglich hinter dem Herd und kocht seine Gäste mit regionalen Schmankerln ein. "Ich versuche einfache Gerichte gut zu machen, auf Schnickschnack zu verzichten."

Der Name des Lokals stammt übrigens aus alten Zeiten des Gebäudes. "Das Haus ist ursprünglich als Notariatskanzlei gebaut worden."

Große Pläne

Sowohl Jungnikl als auch Kroboth haben in nächster Zeit noch viel vor. "Ich habe gerade den Vertrag für ein neues Buch unterschrieben. Mehr darf ich dazu aber noch nicht verraten", sagt Jungnikl. Und Kroboth: "Die Kanzlei ist sicher nicht die letzte Station. Ich habe noch große Pläne für Güssing."

Die Güssingerin hat Geschichte studiert und anschließend die Fachhochschule für Journalismus absolviert. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als freie Redakteurin, ab 2008 als Online-Redakteurin für derstandard.at und ab 2010 schließlich für das Politikressort des Standard. Für den Text, den sie 2013 über den Suizid ihres Vaters im Standard veröffentlicht hat, wurde sie mit dem Leopold Ungar Journalismuspreis der Caritas (2013) und dem Claus Gatterer Anerkennungspreis (2013) ausgezeichnet. Alle Infos auf www.saskiajungnikl.com

Der Kanzlei-Grundsatz: Nutzen, was die Region hergibt und sie so noch bekannter machen. Fisch aus dem Güssinger Teich, Wild aus Krottendorf bei Güssing, dazu Weine aus der Region.

Mittelpreisig. Kalbsbeuschel um 9,80 €, Zanderfilet um 16,90 €.

Die Amtsstube der Kanzlei bietet Platz für bis zu 40 Personen. Auf der Terrasse lässt sich der Sonnenuntergang genießen. www.diekanzlei-guessing.com

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