Nach versenkter Segeljacht: Orca-"Angriffe" stellen Wissenschaft vor Rätsel
Eine Gruppe Orcas hat vor der Küste Marokkos am Sonntagmorgen erneut eine Segeljacht angegriffen – und diese versenkt. Die Schwertwale hatten das 15 Meter lange Boot mehrfach gerammt. Das Ruderblatt wurde beschädigt und Wasser drang in den Rumpf ein.
Solche Ereignisse sind nicht neu. Seit 2020 gab es bereits sechs derartige Vorfälle, die mit Totalschäden endeten. Daneben wurden hunderte Vorfälle gezählt, die glimpflich ausgingen – nach Angaben der Forschungsgruppe "Grupo de Trabajo Orca Atlántica" (GTOA) durchschnittlich 168 Interaktionen pro Jahr. Im Jahr 2024 verzeichnete die Forschungsgruppe bisher 26 Interaktionen gegenüber 61 im Vergleichszeitraum 2023.
Zahnabdrücke an Booten gefunden
Einige Boote wurden mit Zahnabdrücken gefunden, andere waren offenbar vom Kopf oder Körper eines Iberischen Schwertwals gerammt worden. Wenn die Seefahrer ihren Kurs nicht wieder aufnehmen konnten, mussten sie mit beschädigten Rudern einen Hafen anlaufen.
Angriffe durch Orcas: Die Wissenschaft rätselt
Experten, die das Verhalten der intelligenten Tiere studieren, gehen davon aus, dass die Orcas, die die 15 Meter lange Jacht vor Marokko rammten, zu den immer gleichen angriffslustigen Tieren gehören. Mehr als ein Dutzend Orca Ibéricas wurden bereits identifiziert, einige der Meeressäuger haben bereits eigene Namen wie "Gladis Schwarz" oder "Gladis Weiß" erhalten.
Die Ursache dieser "Angriffe" oder "Interaktionen", wie viele Experten sie lieber nennen, ist jedoch unklar.
Während eine Theorie davon ausgeht, dass es sich um ein Spielverhalten handelt – Orcas sind von Natur aus neugierig, Jungtiere lernen die Angriffe von den Großen – gibt es eine andere, nicht unumstrittene Theorie, die von "Rache" spricht. Ein portugiesischer Wissenschaftler, der die Begegnungen untersucht hat, geht davon aus, dass ein Orca-Weibchen eine traumatische Begegnung mit einem Boot gehabt hatte, die es dazu veranlasste, ihren Nachkommen beizubringen, Boote anzugreifen.
Aus Beobachtungen von Schwertwalen ist bekannt, dass die Meeressäuger häufig in Gruppen agieren, zum Beispiel beim Beutefang.
"Modeerscheinung"
"Die Wissenschaft kann noch nicht erklären, warum die iberischen Orcas dies tun, obwohl wir wiederholen, dass es wahrscheinlich eher mit Spiel und Sozialisierung als mit Aggression zu tun hat“, schrieb eine Gruppe von mehr als 30 Wissenschaftlern im letzten Sommer in einem offenen Brief. "(...) Wenn wir auf dem Meer sind, befinden wir uns im Reich des Meereslebens. Wir sollten Wildtiere nicht dafür bestrafen, dass sie wild sind.“
Orcas und andere Delfinarten seien für ihre "Modeerscheinungen" bekannt, so die Wissenschaftler. Damit beschreiben sie ein kurzzeitiges Verhalten, das die Tiere entwickeln, "wie zum Beispiel das Tragen von toten Fischen auf dem Kopf". Dieses Verhalten kann sich innerhalb einer Population massiv ausbreiten und verstärken. "Es ist aber auch möglich, dass dieses Verhalten, ähnlich wie frühere Modeerscheinungen, genauso plötzlich wieder verschwindet, wie es aufgetaucht ist".
Kommentare