ÖAW-Preisfrage beantwortet: So gehen wir mit Wissenschaftsskepsis um

ÖAW-Preisfrage beantwortet: So gehen wir mit Wissenschaftsskepsis um
Die Akademie der Wissenschaften wählte die drei besten Essays zum Thema "Fakt oder Fake" aus mehr als 140 Einreichungen aus.

Desinteresse, Vorurteile und eine skeptische Einstellung gegenüber der Wissenschaft sind in Österreich besonders ausgeprägt. Das haben zuletzt Umfragen belegt. Was aber dagegen tun? Das wollte die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wissen und schrieb eine Preisfrage öffentlich aus: „Fakt oder Fake: Wie gehen wir mit Wissenschaftsskepsis um?“

Die Jury aus Mitgliedern der Akademie hat jetzt aus mehr als 140 Einreichungen erstmals drei Preisträger ex aequo prämiert: Joachim Allgaier, Alexander Bogner und Klaus Gourgé erhalten jeweils ein Preisgeld von 8.000 Euro. Die Jury, die anonymisierte Beiträge begutachtete, begründete ihre Entscheidung damit, dass es nicht nur eine richtige Antwort auf eine derart vielschichtige Frage gibt.

Zweifler zu Tabak über Öl bis Klimawandel

Wissenschaftsskepsis – und zwar absichtlich herbeigeführte – ist nicht neu. Davon geht der Kommunikationsforscher Joachim Allgaier, Professor an der Hochschule Fulda, in seiner Einreichung aus. Schon in den 1970er-Jahren wurden „professionelle Zweifler:innen mit und ohne wissenschaftliche Affiliationen zum Beispiel in Kampagnen von Tabak- und Ölfirmen eingesetzt, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Tabakrauch Krebs erzeugt, öffentlich anzuzweifeln oder zumindest zu verzögern“, schreibt er in seinem Beitrag. Auch die wissenschaftliche Tatsache, dass der Klimawandel Ergebnis menschlichen Handelns ist, wurde im 20. Jahrhundert bewusst torpediert.

Soziale Medien als Instrument

Der inhaltliche Fokus liegt in diesem Beitrag auf der ambivalenten Rolle von sozialen Medien, die sowohl Wissen vermitteln als auch Desinformation verbreiten. Joachim Allgaier verbindet in seinem Essay wissenschaftstheoretische und konkrete lösungsorientierte Überlegungen. Wichtig ist, „auf mehreren Ebenen zum Gegenangriff gegen Desinformationsinformationskampagnen auszuholen“, schreibt er. Transparente Wissenschaft, öffentlicher Dialog auf Augenhöhe und eine Wissenschaftskommunikation, die auch bisher vernachlässigte Gruppen anspricht, sind Teil seiner Vorschläge. 

Selbstkritik als Wert der Wissenschaft

„Die Seele der Wissenschaft ist Toleranz“, zitiert der Soziologe Alexander Bogner, der am Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW forscht, in seiner Einreichung den Rechtstheoretiker Hans Kelsen. Er verweist darauf, dass Wissenschaft ein hohes Maß an Selbstkritik und Selbstrelativierungsfähigkeit erfordert. „Obskurantismus, Autoritarismus und Dogmatismus vertragen sich nicht mit dem Ethos der Wissenschaft“, schreibt Bogner in seinem Essay. Denn: Wissenschaft verkörpere Werte, „die ein gedeihliches Miteinander in modernen, fragmentierten, pluralistischen Gesellschaften fördern“. 

Kern der Demokratie

In seinem Artikel plädiert Alexander Bogner für öffentliche Foren, um unterschiedliche Wertekonflikte offen austragen zu können. Die „Bereitschaft zu echter Verständigung, zum gemeinsamen Lernen, zum offenen Diskurs“ ist das, was nicht nur Wissenschaft, sondern auch Demokratie im Kern ausmacht. Wissenschaftsskepsis sieht Bogner also vor allem als ein (demokratie-)politisches Problem.

Hinterfragen über Jahrhunderte

Synthesia heißt die fiktive Protagonistin in Klaus Gourgés Text zur Beantwortung der Preisfrage. Geboren wurde seine Figur in der antiken griechischen Stadt Skepsis auf dem Gebiet der heutigen Türkei. In Gourgés Beitrag berichtet die fiktive Synthesia von all ihren Erfahrungen, die sie über die Jahrhunderte mit Wissenschaftsskepsis machte.

Systematisches Hinterfragen und besonnenes Urteilen gehört zur wissenschaftlichen Grundhaltung, so Gourgé, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen in Deutschland in seinem Beitrag. Das sei aber „ziemlich exakt das Gegenteil dessen, was wir heute von Klima- und Coronaleugnern, Stop-the-steal-Trumpisten, Lügenpresse-Trollen, Querdenkern und anderen Verschwörungsanhängern beobachten können“. Eine von Synthesias Antworten darauf: „Wir können versuchen, diese negative Skepsis besser zu verstehen – was sie motiviert, wie sie agiert. Dann lernen wir, die konstruktive und die destruktive Form der Skepsis besser auseinanderzuhalten.“

Essays zum Nachlesen

Die Beiträge der Gewinner sind auf der Website der ÖAW via Open Access veröffentlicht. Zudem werden sie in einem Band der ÖAW-Reihe „Akademie im Dialog“ in gedruckter Form publiziert.

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