Intelligente Kakadus: Was wir von ihnen lernen können
Manche sind hervorragende Tänzer. Und sie können Dinge, die sonst nur Schimpansen beherrschen.
26.07.23, 17:42
„Es gibt einen Dancing Star unter den Papageien“, sagt der Genetiker und Moderator Markus Hengstschläger zu Beginn der neuesten Ausgabe des Wissenschaftstalks „Spontan gefragt“, die am Donnerstag, 27.7., um 20.15 Uhr auf KURIER.TV ausgestrahlt wird - das Video finden Sie auch etwas weiter unten im Text. Snowball heißt der Goffin-Kakadu, und er ist seit Jahren ein Star auf YouTube (siehe weiter unten). Wird ihm ein Lied der Backstreet Boys vorgespielt, fängt er an, mit dem Kopf zu nicken, die Füße zu heben – und das alles im Takt. Ändern Wissenschafter die Geschwindigkeit, passt sich Snowball daran an.
„Intelligenz im Federkleid. Was wir von Kakadus lernen können“, ist das Thema der Sendung, die in Kooperation mit dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds WWTF entstand. „Aber warum kann das der Papagei, wofür braucht er das?“, fragt Hengstschläger.
Die Kognitionsbiologin Alice Auersperg hat 2011 das Goffin Lab Goldegg der Vetmeduni in Niederösterreich zur Erforschung der kognitiven Prozesse der Goffin-Kakadus gegründet.
"Wir argumentieren in der Biologie immer, dass Tiere nur Sachen machen, die Sinn machen", sagt Auersperg, "und nicht, weil es sich gut anfühlt. Wahrscheinlich stammt einiges, vor allem das Nicken mit dem Kopf, ursprünglich aus dem Balzverhalten von Tieren."
Wie es bei Snowball begonnen hat, ist nicht bekannt. Er wurde in den USA in einer Tierschutzeinrichtung samt einer CD mit einem Lied der Backstreet-Boys abgegeben, und konnte dazu bereits mit dem Kopf nicken und die Füße hochheben – und das im richtigen Takt, wie eine Studie 2009 gezeigt hat. 2019 sorgte dann eine weitere Studie für großes Aufsehen: Snowball konnte 14 neue „Dance Moves“ ausführen, die er selber erfunden hat. „Niemand hat sie ihm gezeigt und sie sind auch nur für Papageien möglich.“
Aber selbst wenn Papageien „nur“ einen Menschen nachmachen, sei das ein interessantes Verhalten: „Sie haben ja nicht denselben Körper wie ein Mensch. Sie müssen also die Dance Moves auf ihren Körper übersetzen“, betont Auersperg.
Spontan gefragt: Conny Kreuter und Alice Auersperg
Die Sportwissenschafterin, Profitänzerin und Moderatorin Cornelia „Conny“ Kreuter erläutert in „Spontan gefragt“, dass man auch beim Menschen nicht genau wisse, wie das Tanzen entstanden sei. „Man stellte sich damit auf einen Krieg ein. Man tanzte aus Freude, bei Vermählungen oder Geburten. Oder man stellte gewisse Verhaltensweisen, wie das Balzverhalten, nach. Aber hauptsächlich tanzen Menschen, weil es sie glücklich macht, weil Musik einfach glücklich macht.“
Wobei Kinder „sehr viel schneller tanzen lernen als die Erwachsenen“, sagt Kreuter. Erwachsene „denken so viel nach“. Die Bewegungen seien zwar schon automatisiert im Körper, „aber sie glauben, sie können es immer noch nicht und denken so lang darüber nach, dass sie es wieder nicht können, obwohl der Körper alles richtig macht“.
Werkzeuggebrauch
Auersperg vergleicht auch das Lernverhalten von Kindern und Kakadus. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist dabei das Thema Werkzeuggebrauch. Und dazu eignen sich Kakadus optimal. Die Intelligenz der Vögel ist unabhängig von jener des Menschen entstanden. Denn der letzte gemeinsame Vorfahre, ein „amphibisches reptilisches Wesen“, lebte vor 320 Millionen Jahren – die Dinosaurier sind vor 65 Millionen Jahren ausgestorben – „und konnte ganz bestimmt keine komplexen Gedankenprozesse ausführen. Was diese Papageien speziell interessant macht, sei, dass „sie nicht nur sehr große Gehirne im Verhältnis zu ihrem Körper haben. Und Vögel haben pro Einheit Gehirnmasse viel mehr Neuronen als Säugetiere.“
In der Verhaltensbiologie komme es sehr darauf an, „was für eine Aufgabe wir den Kindern stellen“, sagt Auersperg. Kinder können recht früh Werkzeuge verwenden – zum Beispiel, mit einem Löffel essen. Kakadus hingegen können Aufgaben, wo sie Werkzeuge erfinden müssen, relativ leicht lösen. Kinder hingegen schaffen das erst vollständig, wenn sie zirka acht Jahre alt sind – etwa aus einem vertikalen Rohr mit einem Draht ein Körbchen mit einem Henkel herausangeln.
Wie Kakadus Werkzeuge im Set benützen
Kakadus können aber noch etwas ganz anderes: Den Gebrauch mehrerer Werkzeugteile, um an Futter zu gelangen, mental vorab als „Set“ zu kategorisieren. Um in einem Versuch im Goffin Lab an Futter zu gelangen, benötigten sie zuerst ein kurzes, spitzes Stäbchen, um eine Folie aufzureißen. Und danach ein längeres, flexibles Stöckchen, um die Belohnung - eine Nuss - erreichen zu können.
Auersperg: „Sie haben dann wirklich beide Werkzeuge gemeinsam zu der Box transportiert, in der sich die Nuss befand, und sind nicht zwei Mal hin- und zurückgeflogen.“ Das heißt, sie ordnen mental beide Werkzeuge als „Set“ ein – etwas, was bisher sonst nur von Schimpansen bekannt war.
Eines trifft auf Kinder und Kakadus gleichermaßen zu: Beide benötigen eine Motivation, um solche Aufgaben zu lösen – also um etwa als Kind an einen bunten Sticker, oder als Kakadu an eine Nuss zu gelangen.
Motivation ist auch das Um und Auf bei „Dancing Stars“. – „Da gibt es ganz unterschiedliche Motive“, berichtet Kreuter aus ihrer langjährigen Dancing-Stars-Erfahrung: Die einen wollen „wirklich etwas lernen“, andere ihre „mediale Präsenz ausbauen“. Wieder andere haben „eine wunderschöne Beziehung, eine Freundschaft, miteinander, die sie durch die Staffel trägt“. Und manche wollen das Experiment bis zum Schluss auskosten, „sozusagen mitnehmen, was geht“.
Wenn jemand nicht gewinnen möchte, dann komme er auch nicht bis zum Ende, betont Kreuter: „Ich kenne keine Staffel, wo wir nicht am Ende von Schmerzmitteln gelebt haben, weil es einfach so viel ist. Über vier Monate hindurch täglich bis zu zwölf Stunden trainieren, das muss der Körper auch erst einmal leisten können. Am Ende ist es wirklich eine mentale Einstellung.“
Für Auersperg sind die neuen Erkenntnisse zum Werkzeuggebrauch von Kakadus wichtige Bausteine, um eine Antwort auf die Frage zu finden, „wie unsere Vorfahren zum ersten Mal die Idee hatten, nach einem Werkzeug zu greifen, wie der Werkzeuggebrauch entstanden ist. Das ist aber wichtig, um die Evolution von intelligentem Verhalten verstehen zu können.“
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