Immer mehr Fälle von Affenpocken in Europa

Das Virus unter dem Mikroskop
Auch in Belgien, Italien und Deutschland wurde die Krankheit registriert. In Österreich bereitet man sich indes auf erste Fälle vor.

In immer mehr Ländern Europas und der Welt werden derzeit Fälle von Affenpocken registriert.

In Deutschland ist kürzlich ein erster Fall von Affenpocken festgestellt worden. Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München habe am Donnerstag erstmals in Deutschland bei einem Patienten mit charakteristischen Hautveränderungen das Affenpockenvirus zweifelsfrei nachgewiesen, teilte der Sanitätsdienst der Bundeswehr am Freitag mit. Der Infizierte war von Portugal über Spanien nach Deutschland gereist. Ob er sich in einem der beiden Länder ansteckte, war aber zunächst unklar. Dem Patienten geht es nach Angaben des behandelnden Krankenhauses relativ gut. Der junge Mann habe sich "sehr verantwortungsbewusst direkt nach Symptombeginn in medizinische Betreuung begeben, um andere vor einer Infektion zu schützen", sagte am Freitag Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing. Er habe mit leichten Schluckstörungen und erhöhter Temperatur nur geringfügige Symptome und brauche noch keine speziellen Medikamente.  

Infektionen mit dem Virus werden mittlerweile aus immer mehr Ländern gemeldet. Das Affenpocken-Virus ruft meist nur recht milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen.

Die Zahl in Spanien nachgewiesener Affenpocken-Fälle ist nach einem Medienbericht auf 30 gestiegen. Zudem gebe es weitere 23 Verdachtsfälle, berichtete die Zeitung La Vanguardia am Freitag unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Von den insgesamt 53 bestätigten und Verdachtsfällen in Spanien wurden 40 in der Hauptstadt Madrid registriert. Als einen möglichen Ansteckungsort hätten die Behörden in Madrid eine Sauna identifiziert, die vor allem von jungen Männern und auch vielen Ausländern frequentiert worden sei, berichtete der Radiosender Onda Cero.

Zur Situation in Portugal schrieb die Zeitung Publico, dass inzwischen 23 Fälle bestätigt seien.

In Großbritannien sind mittlerweile 20 Infektionen mit Affenpocken nachgewiesen worden. Zusätzlich zu den neun bereits bekannten seien elf weitere Fälle festgestellt worden, teilte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid am Freitag mit. "Die meisten Fälle sind mild, und ich kann bestätigen, dass wir weitere Dosen an Impfstoffen besorgt haben, die effektiv gegen Affenpocken sind." Unklar war zunächst, wie viel Impfstoff eingekauft wurde und wer damit geimpft werden soll.

Italien hat am Freitag zwei weitere Fälle von Affenpocken-Infektionen im Krankenhaus "Spallanzani" in Rom bestätigt. Damit ist die Gesamtzahl der Fälle im Land auf drei gestiegen. Der Gesundheitskommissar der Region Latium, die Rom umfasst, teilte mit, dass zwei weitere Verdachtsfälle, die mit dem ersten entdeckten Fall in Zusammenhang stehen, bestätigt worden seien.

Das auf Infektionskrankheiten spezialisierte römische Krankenhaus hatte am Donnerstag berichtet, dass der erste Patient mit Affenpocken von einem Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln nach Italien zurückgekehrt war. Das Oberste Gesundheitsinstitut in Rom hat eine Expertengruppe eingerichtet, die sich gezielt mit den Affenpocken auseinandersetzen wird. 

Zuletzt waren auch in Frankreich, Schweden, Australien, Belgien und den USA Fälle festgestellt worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte am Mittwoch zu einer rigorosen Nachverfolgung aller Kontakte von Betroffenen aufgerufen. Kliniken und Bevölkerung müssten für die Symptome sensibilisiert werden.

In Österreich

In Österreich ist bisher kein Fall gemeldet worden. Die Gesundheitsbehörden bereiten sich aber vor: Das Contact Tracing soll im Fall des Falles mit Anfang kommender Woche startklar sein, hieß es zuletzt aus dem Gesundheitsministerium.

"Aktuell werden Falldefinitionen und -abgrenzungen erarbeitet, um im Rahmen einer Meldepflicht ein adäquates Fall- und Kontaktpersonenmanagement umsetzen zu können", hieß es aus dem Gesundheitsressort. Für eine Entscheidung, ob die Affenpocken künftig zu den meldepflichtigen Erkrankungen zählen sollen und Infizierte auch in Quarantäne müssen, brauche es einheitliche internationale Vorgaben, diesbezügliche Abstimmungen laufen zwischen der WHO und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Dabei geht es um eine übereinstimmende Falldefinition, also zum Beispiel anhand welcher Parameter die Krankheit diagnostiziert und nachgewiesen wird. Auch für den Nachweis der Affenpocken könnten labortechnische PCR-Tests verwendet werden.

Infos an Gesundheitseinrichtungen

Bis ein einheitliches internationales Vorgehen beschlossene Sache ist, gehen die Gesundheitsbehörden nach der bekannten Symptomatik vor. Im Laufe des heutigen Freitag wird daher den Bundesländern, den Fachgesellschaften sowie Ärztinnen und Ärzten vom Gesundheitsministerium ein Informationsschreiben übermittelt. Dies soll in den Gesundheitseinrichtungen zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber der an sich sehr seltenen Infektion beitragen.

Vermutungen über Ausbreitung

Warum die Affenpocken gerade jetzt offenbar vermehrt auftreten und sich ausbreiten, dafür gibt es mehrere Vermutungen. Zum einen könnte die wieder erhöhte Reisetätigkeit nach Covid, als durch die Pandemiebekämpfung Reisen viel weniger oder teilweise gar nicht möglich waren, dazu beitragen. Zum anderen sind Behörden, aber auch Medien und Bevölkerung durch die Erfahrungen mit Corona wohl auch stärker sensibilisiert für Zoonosen und ihre möglichen Folgen - wie SARS-CoV-2 sind die Affenpocken eine vom Tier auf den Menschen übergesprungene Krankheit. "Covid hat gezeigt, welche ernst zu nehmende Gefahr von Zoonosen ausgehen kann und wie wichtig daher ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit bei Mensch, Tier und Umwelt - also der One Health Ansatz - ist", verwies ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf die Lehren der Corona-Pandemie.

Mehr im Blickpunkt

Dass die Pocken generell wieder mehr im Blickpunkt sind, könnte weiters auf eine Übung der G-7-Staaten und der WHO zurückzuführen sein, die gerade für eine bessere Bekämpfung künftiger Pandemien eine Simulation durchspielen. Annahme ist der Ausbruch einer Pocken-Pandemie durch einen Leopardenbiss. Im Lauf des G-7-Treffens soll darüber sowie über die "stetig zunehmende Bedrohung" durch Zoonosen wie eben Tierpocken berichtet werden, hatte es erst am Donnerstag geheißen. Die G-7-Gesundheitsministerinnen und -minister beraten derzeit in Berlin über einen globalen Pandemiepakt.
 

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