Algorithmus entschlüsselt Eigenheiten von verschiedenen Jodelstilen

Algorithmus entschlüsselt Eigenheiten von verschiedenen Jodelstilen
Schweizer Studie mit 217 Jodelmelodien zeigt regionale Unterschiede auf.

Ein Algorithmus bestätigt, was sich Jodler schon lange erzählen, Jodel ist nicht gleich Jodel. Das Innerrhoder "Rugguusseli", das Ausserrhoder "Zäuerli" oder der Innerschweizer "Juiz": Der Jodel trägt viele Namen in der Schweiz. Doch inwiefern unterscheiden sich die wortlosen Gesänge tatsächlich? Innerhalb der Regionen sind die Melodien für eine zuverlässige Klassifikation allerdings sehr ähnlich, zeigt eine aktuelle Studie.

"Dass sich Jodelstile in verschiedenen Regionen der Schweiz musikästhetisch unterscheiden, wird seit rund 100 Jahren in der folkloristischen Literatur und unter Jodlern gerne diskutiert", sagte der Musikwissenschaftler Yannick Wey von der Hochschule Luzern im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Aber wenn man bei Jodlerinnen und Jodlern konkret weiterbohre, charakterisiere jede und jeder die verschiedenen Stile etwas anders. "Uns interessierte nun, ob die Unterschiede tatsächlich auch auf melodischen Eigenheiten basieren", sagte Wey.

Melodien unterscheiden sich in allen Kantonen

Das versuchte er in der im Fachmagazin "Music & Science" erschienen Studie gemeinsam mit der Informatikerin Cornelia Metzig von der Queen Mary University in London zu ergründen. Sie konzentrierten sich dafür auf die Jodelhochburgen Innerschweiz mit den Kantonen Obwalden und Nidwalden sowie die Nordostschweiz mit den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden sowie Toggenburg.

Als Werkzeug diente ein Machine Learning-Algorithmus, den das interdisziplinäre Duo mit Notenblättern von insgesamt 217 Jodelmelodien fütterte. Anhand der melodischen Eigenschaften - etwa Rhythmen, Tonarten oder Tonlängen - versucht das Programm charakteristische Merkmale der verschiedenen Stile zu erkennen. Das Toolkit "Melodyfeatures", die die Merkmale aus Melodien extrahiert und so für Algorithmen verwertbar macht, wurde von Metzig entwickelt und bereits zur Klassifikation von verschiedenen Volksliedern weltweit angewendet.

Resultat der Jodelstudie: Die Melodien unterscheiden sich in allen Kantonen. Doch innerhalb der Regionen - Innerschweiz und Nordostschweiz - waren die Unterschiede zu schwach, der Algorithmus machte daher relativ viele Fehlzuweisungen. Anders zwischen den Regionen: Hier ordnete der Algorithmus mehr als drei von vier Jodeln der richtigen Region zu.

Die ausschlaggebenden Merkmale für den Algorithmus? "Der wichtigste Indikator war, dass in der Zentralschweiz das musikalische Intervall der Oktave deutlich häufiger gesungen wird als in der Nordostschweiz", erklärte Wey. Andere wichtige Kriterien waren beispielsweise ein rhythmisches Muster mit einer punktierten Viertelnote oder ein melodisches Muster aus einer aufsteigenden Sexte gefolgt von einem Ganzton abwärts. Einige Muster würden auch einem Musikwissenschafter ins Auge springen. Doch der Algorithmus eröffne einen ganz neuen Blick auf die melodischen Eigenheiten der Lieder, sagte Metzig.

Um die Treffsicherheit zu erhöhen braucht es aus ihrer Sicht entweder mehr Daten oder die Kombination mit einer anderen Methode. "Mit Audiodateien wäre es beispielsweise möglich, auch eine charakteristische Betonung oder Aussprache in den Jodelstilen zu identifizieren", so die Informatikerin.

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