Wirtschaftspsychologie: Keine soziale Hängematte

Was würden Sie tun, wenn Sie von nun an für die nächsten drei Jahre monatlich 1.200 Euro zusätzlich bekommen würden? Das Geld sparen? Eine Ausbildung machen? Gar den Job kündigen? Genau das untersuchte Professorin Susann Fiedler, Leiterin des Institutes Cognition & Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien und ein internationales Forscher*innen-Team. In dem dreijährigen Experiment sah sich das Team die Auswirkungen von bedingungslosen Zahlungen auf die Arbeitsmarktbeteiligung, mentale Gesundheit und das Konsumverhalten an.
Alle arbeiten weiter
Eines der überraschendsten Ergebnisse ist, dass das Grundeinkommen nicht zu einem vermehrten oder radikalen Ausstieg aus dem Arbeitsleben führt. „Das ist erstaunlich. Ich dachte, dass zumindest ein paar Leute eine Weltreise machen“, sagt Prof. Fiedler. Auch bei den geleisteten Arbeitswochenstunden zeigt sich keine signifikante Veränderung. Im Schnitt arbeiteten alle Studienteilnehmer*innen 40 Stunden, ob mit oder ohne Grundeinkommen. Es zeigt sich also, dass der oft diskutierte Rückzug in die soziale Hängematte bei diesem Experiment nicht eingetreten ist – zumindest nicht bei einer Laufzeit von drei Jahren.
Startschuss
Innerhalb der Studienlaufzeit wechselte ein großer Anteil der Teilnehmenden ihren Job. Im Vergleich zur Kontrollgruppe brachte der Wechsel für die Grundeinkommensgruppe jedoch stärkere Jobzufriedenheit. Sie scheinen also in Jobs zu wechseln, die besser zu ihnen passen. „Die Teilnehmenden gaben an, dass das zusätzliche Geld Sicherheit geschaffen hat und Handlungsfreiraum. Das Geld war damit für viele ein Startschuss“, sagt Fiedler.
Mentale Gesundheit
Bereits nach 1,5 Jahren Studienlaufzeit zeigte sich, dass die Menschen mit Grundeinkommen nicht nur sehr viel zufriedener mit ihrem Arbeitsleben sind, egal ob sie den Job gewechselt haben oder nicht. „Wir sehen hier einen langfristigen Effekt, der sogar noch ein halbes Jahr nach Studienende anhält“, sagt Fiedler. Die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit, dem Schlaf und der Freizeit war in der Maßnahmengruppe signifikant höher als in der Vergleichsgruppe. Die allgemeine Lebenszufriedenheit lag im Befragungszeitraum in der Maßnahmengruppe auf einer Skala von null bis zehn bei durchschnittlich 7,6, während sie in der Vergleichsgruppe 7,1 betrug. Dieser Effekt blieb über den gesamten Studienverlauf sehr stabil und es kam nicht zu Gewöhnungseffekten. Fiedler dazu: „Die Unterschiede in der mentalen Gesundheit sind bemerkenswert. Das ist vergleichbar mit: frisch verheiratet oder frisch geschieden.“
Weniger Stress
Über ein Drittel der bedingungslosen Geldzahlungen wurden gespart und knapp acht Prozent für wohltätige Zwecke oder zur Unterstützung von Familie und Freund*innen ausgegeben. Menschen mit Grundeinkommen verbrachten im Durchschnitt 3,8 Stunden mehr pro Woche mit ihren Liebsten und empfanden auch über die gesamte Studienzeit und darüber hinaus weniger Stress als die Vergleichsgruppe. Fiedler: „Die psychologischen Effekte sind enorm und bieten nun eine sachliche Grundlage für die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen.“

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