Warum in sozialen Medien Informationen statt Emotionen kursieren sollten

Die flächendeckende Internetnutzung hat unsere Kommunikation nachhaltig verändert: Interaktion findet vermehrt über soziale Netzwerke statt. Zahlen von 2024 zeigen, dass 81,6 % der österreichischen Bevölkerung diese nutzen – als Informationsquelle, zur Kontaktpflege oder Unterhaltung, selbst für politische Teilhabe. „Neben diesen positiven Aspekten gibt es auch Schattenseiten“, sagt Univ.-Prof. Annie Waldherr vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. „Neben Cyberkriminalität, Missinformation und Hatespeech ist das vor allem die Polarisierung, die wir oft in sozialen Medien sehen.“
Zersplitterung der Gesellschaft?
Die sozialen Medien laufen Tageszeitung oder TV-Nachrichtensendungen zunehmend den Rang ab und werden zur zentralen Schnittstelle für politische Informationen. „Daran ist nichts Verwerfliches und soziale Medien sind nicht schuld an allem, was in der öffentlichen Kommunikation falsch läuft“, so Waldherr. „Aber sie sind eine sehr schnelle Infrastruktur, bei der jeder mitmachen kann, was zu den angesprochenen Phänomenen führen kann.“
Studien zeigen, dass sich auf sozialen Medien vor allem Personen mit extremen Meinungen äußern, wohingegen die moderate Mitte zurückhaltender ist. „Polarisierende Aussagen werden eher geteilt und aufgegriffen, wodurch sie mehr Raum erhalten, als ihnen zusteht“, so die Wissenschafterin. Die Algorithmen tragen das ihre dazu bei, dass krude Verschwörungstheorien, Missinformation oder politisch inkorrekte Aussagen im Netz kursieren.
In einem vom WWTF geförderten Forschungsprojekt beschäftigten sich Hannah Metzler und David Garcia vom Complexity Science Hub Vienna sowie Annie Waldherr und Team mit der Frage, inwiefern Emotionen bei der Verbreitung polarisierender Beiträge eine Rolle spielen. „Es zeigte sich, dass Wut die dominante Emotion ist, wenn Nachrichten geteilt werden – sowohl im Ursprungspost, als auch in den Reaktionen“, sagt sie. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Diskurse und öffentliche Meinungsbildung auf sozialen Plattformen stattfinden – wir müssen nun dafür sorgen, dass sie demokratiefördernd sind.“

Univ.-Prof. Annie Waldherr vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien
Eigene Verantwortung
Die wichtigste Rolle spielen dabei ihrer Meinung nach die User selbst. „Wir als Gesellschaft können beeinflussen, wie diese Plattform gestaltet sind“, betont Waldherr. „Es gilt, einen verantwortungsvollen Umgang mit ihnen zu finden: Jeder sollte hinterfragen, welche Inhalte er teilt und ob es seriöse Informationen sind.“ Die Schaffung eines Bewusstseins für polarisierende Meldungen, die zu einer Teilung der Gesellschaft führen, sowie eine gute digitale Bildung seien ein wesentlicher Schritt. „Auch die Schaffung alternativer Plattformen, die uns unabhängiger von großen US-Anbietern machen, halte ich für notwendig“, sagt Annie Waldherr. „Allerdings müssen diese auch spannend sein, damit die User*innen sie nutzen – herauszufinden, wie dieser Spagat gelingen kann, ist Aufgabe der Forschung.“

Kommentare