Der schwierige Weg zur Netto-Null-Welt

Der 2019 formulierte European Green Deal steckt ein klares Ziel: Bis 2050 soll die Europäische Union klimaneutral sein. Um dieses zu erreichen, muss schon 2030 eine Treibhausgassenkung von 55 Prozent verglichen mit dem Wert des Jahres 1990 stattgefunden haben. Nicht alle Länder können diese Vorgaben erfüllen. Univ-Prof. Jesús Crespo Cuaresma von der Wirtschaftsuniversität Wien beschäftigt sich mit der Frage, welche klimapolitischen Maßnahmen die Reduktion der Emissionen vorantreiben könnten.
Der Ausstoß der Treibhausgase wird regelmäßig gemessen. Wie unterscheidet sich Ihre Vorgangsweise?
Jesús Crespo Cuaresma: Sich Messungsergebnisse anzuschauen, ist zu wenig, um zu erkennen, ob Treibhausgasreduktionen durch Klimapolitik entstanden sind. Daher haben wir ein statistisches Modell entwickelt, in dem wir identifizieren, womit Emissionsrückgänge oder -anstiege zusammenhängen – sie also um Faktoren wie Bevölkerungs- oder BIP-Wachstum bereinigt.
Nun haben wir einen Datensatz, in dem statistisch signifikante Ausreißer nicht mit demografischen oder makroökonomischen Entwicklungen in der Wirtschaft zu erklären sind. Im nächsten Schritt analysieren wir die Maßnahmen der Klimapolitik und bringen die nicht erklärbaren Veränderungen mit ihnen in Verbindung. Ziel ist es, herauszufinden, welche Maßnahmen effizient sind und welche überhaupt nicht funktionieren.
Für welchen Zeitraum haben Sie das berechnet?
Wir haben uns die Zahlen der OECD-Länder von 1970 bis 2018 angeschaut. Österreich haben wir zusätzlich von 1995 bis 2022 im Detail analysiert, da wir sektoriell granularere Daten haben und somit tiefer gehen konnten.

Univ-Prof. Jesús Crespo Cuaresma, WU Wien
Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Wie gesagt, konnten wir mit dieser globalen Studie zunächst Emissionsrückgänge identifizieren. Aktuell bringen wir diese mit klimapolitischen Maßnahmen der jeweiligen Ländern in Verbindung. Was wir aber bisher gesehen haben, ist, dass es keine einzelne politische Maßnahme gibt, die immer funktioniert. Es müssen also Bündel von Maßnahmen geschnürt werden, die für ein Land ein Trigger sind, um Emissionen nachhaltig zu reduzieren.
Welche können das sein?
Historisch gesehen, ist insbesondere die Klimapolitik wirksam, die drei Instrumente kombiniert: finanzielle Anreize wie Subventionen und Steuervergünstigungen, klare regulatorische Vorgaben wie Emissionsstandards sowie marktwirtschaftliche Mechanismen wie CO2-Steuern oder Emissionshandelssysteme. Erfolgreiche Beispiele sind unter anderem die Emissionsreduktionen im britischen Stromsektor, Chinas Industriepolitik sowie die US-amerikanischen Effizienzstandards und Steueranreize für Fahrzeuge ab 2008. Einzelmaßnahmen sind in der Regel nicht ausreichend, offenbar ist Klimapolitik erst effizient dann, wenn sie in umfassendere wirtschaftliche und soziale Strategien eingebettet ist, um öffentliche Akzeptanz und soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.
Und wie sieht es nun in Österreich aus?
Wir konnten nur fünf Perioden identifizieren, wo es signifikante Emissionsreduktionen gab – und zwar in vier relativ kleinen Sektoren. Die nationale österreichische Klimapolitik, also ohne die Maßnahmen, die auf europäischem Niveau passieren, ist also nicht besonders erfolgreiche Klimapolitik bis jetzt. Wenn es so weitergeht, wie wir es bisher beobachtet haben, ist es also unwahrscheinlich, dass Österreich seine Klimaziele erreicht.
Kann das Ruder, global gesehen, überhaupt noch herumgerissen werden?
Ich persönlich denke, dass eine langfristig nachhaltige Wirtschaft auf globaler Ebene vor allem durch Technologie und Innovation unterstützt werden kann. Das könnte ein möglicher Weg sein, um in Zukunft eine Netto-Null-Welt zu erreichen.

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