Social Media & Co.: Der Polarisierung entgegenwirken

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Univ.-Prof. Barbara Prainsack und Astrid Mager von der DEMGES über Regulationen, digitale Bildung und alternative Technologien, die die Gesellschaft stärken könnten.

Die Kommission Demokratie in digitalen Gesellschaften (DEMGES) der Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW) setzt sich mit der digitalen Transformation und ihren Auswirkungen auf Demokratien auseinander. Obfrau Univ.-Prof. Barbara Prainsack vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Obfrau-Stellvertreterin Dr. Astrid Mager vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der ÖAW im Gespräch.

Wie können digitale Technologien Demokratien in ihren Grundfesten erschüttert?

Barbara Prainsack: Da ist keine klare Antwort möglich, da es unterschiedliche digitale Technologien gibt, die sich unterschiedlich auswirken. Wir sehen aber, dass soziale Medien zu Polarisierungen führen können. Unterschiedliche Personenkreise sind in unterschiedlichen Plattformen unterwegs – eher rechte Diskurse finden auf X, eher linke Diskurse auf Bluesky statt. Dadurch driftet die Gesellschaft auseinander. Dazu kommt der Bereich der Desinformation und Fake-News, die Fakten verwaschen und zudem das Vertrauen der Menschen in Institutionen und ineinander erschüttern.

Astrid Mager: Momentan entwickeln große kommerzielle Firmen diese Technologien – wir alle kennen die Figuren, die dahinter stehen. Elon Musk, Peter Thiel oder Marc Zuckerberg, die wie Popstars auftreten, und uns vermitteln, wie die digitale Zukunft aussehen soll. Sie schaffen Technologien, die darauf ausgerichtet sind, möglichst viel Werbeumsatz zu generieren, durch Geschäftsmodelle, die auf Datenhandel basieren. Da ist es wichtig, dass Menschen in der Plattform bleiben, kommentieren und Inhalte teilen. Polarisierende, auch negative Postings sorgen für mehr Debatte, und den Firmen ist egal, womit monetarisiert wird. Es ist ein Problem, dass es keine gesellschaftliche Mitsprache oder politisch-demokratische Legitimation für den Gestaltungsprozess der digitalen Technologien gibt.

So wie Sie das Bild zeichnen, stellt sich die Frage, ob man etwas bewirken kann?

Barbara Prainsack: Uns geht es in der Kommission auch darum, die Mechanismen besser zu verstehen: Unter welchen Bedingungen wirken sich gewisse Technologien demokratiestärkend aus? Dafür schauen wir uns Beispiele an, wo Technologien anders genutzt werden, als es von den Entwicklern intendiert war. Staaten können Technologien auch strenger regulieren, wenn sie erwiesenermaßen schädliche Auswirkungen auf Gruppen – wie etwa Jungendliche – haben.

Widerspricht das nicht einer Demokratie?

Barbara Prainsack: Natürlich nicht. Demokratie bedeutet nicht uneingeschränkte Freiheit für multinationale Unternehmen. Man kann Plattformen regulieren, aber auch alternative Technologien fördern. Vergibt man öffentliche Gelder an Technologieunternehmen, kann man durchaus ein Mitspracherecht verlangen.

Astrid Mager: Man könnte Steuern einheben und so Geld generieren, um alternative Technologien zu fördern. Auf der ganzen Welt haben Communitys, oft Minoritäten, partizipative Technologien entwickelt. Oft hört man dann: „Das verwendet ja niemand“. Dennoch gibt es schöne Beispiele, wie gut alternative soziale Netzwerke funktionieren – wenn auch im Moment nur für eine eingeschränkte Öffentlichkeit. Als Kommission wollen wir all diese Projekte, die da draußen existieren, im Sinnen einer nachhaltigen Technikgestaltung analysieren, um zu erkennen, welche Instrumente es braucht, um so etwas gesellschaftlich breiter zu verankern und zu stärken.

Das klingt aber nach einer Mammutaufgabe ...

Astrid Mager: Im Rahmen der DEMGES werden wir im transdisziplinären Sinn auch Workshops mit Stakeholdern oder Democracy Labs abhalten, wo wir die Zivilgesellschaft oder marginalisierte Gruppen einbinden, um von ihnen zu lernen. Wir wollen also in die Real World hinausgehen und schauen, was die Bedürfnisse, Probleme oder Herausforderungen von unterschiedlichen Communitys sind. 

Barbara Prainsack: Wir arbeiten mit vielen Initiativen zusammen und bündeln unsere Kräfte auf nationaler und internationaler Ebene – wir sind also nicht nur zehn Menschen, die die Welt verändern wollen. Wir werden versuchen, unsere Ergebnisse dort umzusetzen, wo sich eine Möglichkeit bietet.

Wie wichtig ist in Ihren Augen digitale Bildung?

Barbara Prainsack: Den meisten Menschen ist es nicht egal, wie es anderen geht. Manche leben vegan, weil sie nicht mit den Haltungsbedingungen der Nutztiere einverstanden sind oder sie fliegen nicht wegen des Klimawandels. Über die problematischen Aspekte der digitalen Ökonomie sprechen wir zu wenig. Viele wissen nicht, wer von Daten, die man hochlädt, profitiert und auf wessen Kosten es geht. Deshalb ist digitale Bildung so wichtig – und zwar nicht nur wie man Office-Pakete anwendet.

Astrid Mager: Da kommt immer der Hinweise auf den Lehrplan und darauf, dass Lehrer*innen das nicht alles leisten können. Das müssen sie auch nicht, denn es gibt Vereine wie Safer Internet, die in Schulen gehen. Sie haben Spezialwissen und gut aufbereitete Unterlagen, um viel zu bewirken.

Warum ist es Aufgabe der Wissenschaft, sich um die Stärkung der Demokratie zu kümmern?

Astrid Mager: Aktuell sieht man, wie Wissenschaft unter Druck gerät, wenn autokratische Strömungen Einzug halten. In den USA werden einzelne Disziplinen ausgedörrt, sie bekommen keine Finanzierung mehr. Wir sind hier in Österreich noch in einem sicheren Hafen, aber alle Wissenschafter*innen, die Kooperationen mit US-Institutionen haben, merken es. Das Problem rückt also immer näher.

Barbara Prainsack: Ich glaube, dass Forschung eine positive Auswirkung auf die Welt haben sollte. Da die Verschlechterung der Demokratiequalität in vielen Ländern ein Thema ist, muss das – so wie die Klimakrise oder andere globale Entwicklungen – am Radar der Wissenschaft sein.

Sind diese autokratische Strömungen auch der Entwicklung digitaler Technologien geschuldet?

Barbara Prainsack: Die Forschung sieht Korrelationen zwischen Einsparungen im öffentlichen Bereich einerseits und dem Stimmenzuwachs rechter Parteien andererseits. Das bedeutet: Wenn öffentliche Infrastrukturen bröckeln, kann man einen Schwenk nach Rechts beobachten. In Zeiten, wo alle sparen müssen, sind linke Lösungen nicht attraktiv, weil sie Geld kosten. Das nutzen rechte Narrative aus. Die digitalen Instrumente wirken verstärkend, sind aber sicher nicht die Ursache.

Frau am PC

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