Zukunft der Wahl: "Keiner von den Genannten" als Spielveränderer

Jede Stimmabgabe zählt, auch die mit einem Nein
Was passiert eigentlich, wenn der Stimmzettel bei einer Wahl eine ausdrückliche Ablehnung aller Kandidat*innen erlauben würde? Welche Auswirkungen auf das Wahlverhalten hätte denn so eine „Keiner von den genannten Parteien“-Option? Eine internationale Studie hat sich dieses Themas angenommen und zeigt überraschende Effekte – auch für Demokratien in Europa. Gleich vorweg: Eine zusätzliche Option auf dem Wahlzettel kann einiges verändern.
Online-Experimente
Die Studie „The effect of a ,None of the above‘ ballot paper option on voting behavior and election outcomes“, durchgeführt von Attila Ambrus (Duke University), Ben Greiner (WU Wien) und Anita Zednik (ebenfalls WU Wien), untersucht, welche Effekte eine explizite „None of the above“-(NOTA)-Option auf das Wahlverhalten und den politischen Wettbewerb hat.
Anhand zweier Online-Experimente – rund um die US-Präsidentschaftswahl 2016 und die österreichische Bundespräsidenten-Stichwahl im selben Jahr – und eines ergänzenden Laborexperiments zeigt sich: Eine NOTA-Option kann die Wahlbeteiligung steigern, beeinflusst das Abschneiden von Protestkandidat*innen und verändert möglicherweise auch das strategische Verhalten etablierter Politiker und Politikerinnen. „Unsere und auch andere Studien haben gefunden, dass die Wahlbeteiligung steigt, weil Wähler*innen zur Wahl gehen, um eben die NOTA-Option zu wählen“, erklärt Univ.-Doz. Anita Zednik. „Das kann man so interpretieren, dass es bisher keine Möglichkeit für diese Wähler*innen gab, ihre Unzufriedenheit mit Parteien, Kandidat*innen oder dem Politikgeschehen zu äußern – und dass sie diese wahrnehmen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben.“ Eine extremere Möglichkeit, so Prof. Ben Greiner, wäre es sogar, diese Stimmen mit leeren Sitzen im Parlament zu verknüpfen – ein drastisches Signal an die Politik, dass nicht alle Bürger*innen sich im Parlament vertreten fühlen.
Weniger Protestparteien
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: Die Stimmenanteile von Außenseiter*innen ohne echte politische Inhalte sinken, wenn Wähler und Wählerinnen eine formale Protestmöglichkeit wie NOTA haben. Das könnte dazu führen, dass es weniger reine Protestparteien gibt. Univ.-Doz. Zednik vermutet darin aber auch ein Risiko: „Es könnte dazu führen, dass sich bestehende Außenseiter und Außenseiterinnen noch weiter radikalisieren, um sich von der quasi ,offiziellen‘ Protest-Option NOTA abzugrenzen.“ Dazu fehlen bisher wissenschaftliche Untersuchungen.
„Unsere und auch andere Studien haben gefunden, dass die Wahlbeteiligung steigt, weil Wähler*innen zur Wahl gehen, um eben die NOTA-Option zu wählen.“
Sinnvoll auch in Europa
Und wäre so eine Option auch in Österreich sinnvoll? „Insbesondere dann, wenn sich das elektronische Wählen durchsetzt“, sagt Zednik. Denn während man bei Papierwahlen durch eine ungültige Stimme seinen Unmut ausdrücken kann, fehlt diese Möglichkeit digital. Ob als Protestventil oder Demokratiewerkzeug: NOTA ist kein Nullum. Die Option „keine der oben genannten“ hat reale politische Wirkung – und stellt die etablierten Regeln der Wahl vor neue Fragen.

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