Dunkle Vergangenheit: Die Nazi-Verbrechen in der Frauenheilkunde

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Viele Verbrechen von Nationalsozialisten müssen auch in der Frauenheilkunde noch aufgearbeitet werden.

Lange Zeit herrschte Stillschweigen über die unter dem NS-Regime begangenen Verbrechen, auch im Bereich der Frauenheilkunde. Jüdische Ärzt*innen wurden bedroht, verfolgt und vertrieben. Es gab Tötungsaktionen gegen Patient*innen in der Psychiatrie. Frauen und Männern, denen man unterstellte, sie seien nicht „erbgesund“ wurden zwangssterilisiert. „Frauen wurden in der NS-Zeit oft auf ihre reproduktive Funktion reduziert und instrumentalisiert, insbesondere im Zusammenhang mit der Bevölkerungsförderung und der Ideologie des arischen Nachwuchses. Es gab kein Recht auf Selbstbestimmung der Frau, wie es für uns heute selbstverständlich ist“, sagt Univ.-Prof. Herbert Kiss, Leiter der Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin an der MedUni Wien. Längst gehörte darum dieses Thema aufgearbeitet und Lehren daraus gezogen.

Ohne Beschuldigungen

Aus diesem Grund fand im März ein Symposium im Josephinum der MedUni Wien statt: „Die Frauenheilkunde in Wien während des Nationalsozialismus“ Es wurde ein historischer Überblick gegeben. Ziel war es, zu erinnern, zu zeigen und niemals zu vergessen. Kiss: „Die Resonanz war überwältigend. Es kamen deutlich mehr Personen als erwartet, was das große Interesse an diesem Thema zeigt. Es entstanden intensive Reflexionen und Gespräche. Besonders bemerkenswert ist, dass die aktuelle Generation anders mit der Vergangenheit umgeht als die vorherige – ohne Beschuldigungen oder Verurteilungen, sondern mit dem Ziel, das Bewusstsein zu fördern, aber auch Verantwortung zu übernehmen. Niemand fordert Scham, vielmehr geht es um das Verstehen und Erinnern.“ Es sei von großer Bedeutung, diese dunkle Vergangenheit aufzuarbeiten, um Machtmissbrauch, falsch verstandenes Hierarchiedenken und unreflektierten Gehorsam zu erkennen und zu verhindern. Kiss: „Die Aufarbeitung hilft, die Gefahr von Gewalt – sowohl psychisch als auch physisch – zu verstehen und daraus Lehren zu ziehen. Dabei ist es wichtig, starre Hierarchien kritisch zu hinterfragen und eine offene, flache Kommunikation auf allen Ebenen zu fördern.“

Frau am PC

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