Kommt jetzt das Gendersternchen in den Duden?

Kommt jetzt das Gendersternchen in den Duden?
Der Rat für deutsche Rechtschreibung beschäftigt sich derzeit mit dem Thema Gendern. Was folgt daraus?

Es klang nach nicht weniger als einem Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Sprache, wenn es in den vergangenen Wochen in Medien und sozialen Netzwerken um diese Frage ging. Anlass für die Debatten sind für Freitag geplante Beratungen des Rats für deutsche Rechtschreibung in Wien über geschlechtergerechte Schreibung. Macht sich die Dudenredaktion also bereits Gedanken, wo das Sternchen in der alphabetischen Logik des Nachschlagewerks unterzubringen wäre?

Die Leiterin der Dudenredaktion, Kathrin , verneint. In dem gelben Wälzer könne im Regelteil eine Empfehlung dazu aufgenommen werden, mit welchen sprachlichen Mitteln das Gendern realisiert werden kann. Nur als Empfehlung, ohne Vorschriften, das betont sie sehr. Wohl auch vor dem Hintergrund, dass ein Duden-Ratgeber von Herbst 2017 über das Gendern den Autorinnen böse Zuschriften und Negativ-Kommentare im Netz einbrachte. Darin ist etwa von verhunzter "Muttersprache" und "Sprachpolizei" die Rede. Da klingt die Frage durch: Warum soll auf einmal nicht mehr okay sein, was früher immer okay war? Und die Haltung: Ihr da oben wollt uns etwas vorschreiben.

Aufregung über "Genderwahnsinn"

Das Thema treibt aber nicht nur AfD-Kreise um, die sich öfters über "Genderwahnsinn" aufregen. "Ist das noch Deutsch?" titelte die Die Zeit kürzlich mit Blick auf die Anrede "Liebe Leser*innen". Auch konservative Sprachwissenschaftler äußern sich kritisch. Letztlich wird die Debatte auch dadurch emotional, dass fast jeder eine Meinung dazu hat. Sprechen und schreiben, daran führt ja kein Weg vorbei.

Lange störte sich auch kaum jemand daran, wenn etwa beim Begriff "Schüler" die Mädchen mitgemeint waren. Doch das ändert sich. Frauen seien in der deutschen Sprache besser versteckt als unter einer Burka, ist ein Vergleich, mit dem die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch gerne die Verhältnisse kritisiert. Inzwischen geht es aber schon nicht mehr nur um die sprachliche Berücksichtigung von Frauen.

Hinzu kommen jene Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann begreifen. Sie können etwa mit dem Sternchen sprachlich sichtbar gemacht werden. Oder mit anderen Bezeichnungen wie "Professx" - ein Vorschlag, der vor ein paar Jahren von Lann Hornscheidt an der Humboldt-Universität Berlin ausging. "Alle Sprachänderungen vorher haben versucht, Frauen sichtbarer zu machen. Das X soll einen Schritt weiter gehen und Geschlechts-Vorstellungen durchkreuzen, auch bildlich", sagte Hornscheidt 2014 der dpa. Nach den aktuellen amtlichen Regeln sind Einschübe von Sternchen, Schrägstrich oder X aber nicht normgerecht.

Bisher sind nicht einmal diese Zeichen für Anfeindungen nötig: Das zeigte der Fall der Uni Leipzig, die sich 2011 für eine Grundordnung mit nur weiblichen Berufsbezeichnungen entschied. Die sonst weithin gängige Regelung, mit dem generischen Maskulinum die Frauen mitzumeinen, wurde umgekehrt, zu Lasten der Männer. "Guten Tag, Herr Professorin", überschrieb Spiegel Online die Nachricht überspitzt.

Bei allem Spott und aller Kritik an umständlichen Formulierungen und gestörtem Lesefluss: Studien haben gezeigt, wie sehr Sprache die Wahrnehmung von Menschen prägt und wie sehr sie ausgrenzen kann. Nicht nur bei einem Begriff wie "Astronauten" stellen sich wohl die meisten Menschen Männer vor. Selbst bei eigentlich stereotyp mit Frauen verbundenen Begriffen wie "Kosmetiker" sei das einer Untersuchung zufolge der Fall, wie Sprachwissenschaftler in der Süddeutschen Zeitung schrieben. Mit Folgen für Jungen und Mädchen, die gewisse Berufe für erreichbar halten - oder eben nicht.

Anfrage der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung

Dass sich nun der Rechtschreibrat mit dem Gendern beschäftigt, geht auf eine Anfrage der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung zurück, die nach Formulierungsempfehlungen gefragt hatte. Der Rat betrete bei dem Thema "durchaus Neuland" und könne höchstens Empfehlungen geben, meint Kunkel-Razum. Entscheidungen seien am Freitag nicht zu erwarten. Es fehlten auch noch Analysen zum unterschiedlichen Umgang mit dem Gendern im deutschsprachigen Raum. In der Schweiz etwa sei es in offiziellen Texten seit Längerem "üblich und akzeptiert", so Kunkel-Razum.

Welche Wendungen aufkommen und sich letztlich im Sprachgebrauch durchsetzen - das will der Duden weiter beobachten. "Sind sie dann etabliert, ziehen sie auch ins Wörterbuch ein", erklärt die Redaktionsleiterin. Übrigens: Mit dem Ergänzen der weiblichen Form als eigenes Stichwort zu allen männlichen Personenbeschreibungen hat der Duden nach ihren Angaben bereits vor etwa 20 Jahren begonnen.

Eine Handvoll kleiner Eingriffe in den Wortschatz kosteten niemanden etwas, spricht sich der Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch in der Streitschrift "Eine Frage der Moral" für eine politisch korrekte Sprache aus. Sich um eine nicht diskriminierende Sprache zu bemühen, "wäre ein Zeichen, dass wir überhaupt Gleichheit wollen". Es gehe es nicht darum, Meinungen zu verbieten, betont er - sondern um das Beseitigen struktureller sprachlicher Ungleichheiten. 

Österreichisches Bundesheer streicht Binnen-I

Erst kürzlich gab der österreichische Verteidigungsminister Mario bekannt, das Binnen-I im Bundesheer abschaffen zu wollen. "Feministische Sprachvorgaben zerstören die gewachsene Struktur unserer Muttersprache bis hin zur Unlesbarkeit und Unverständlichkeit", erklärte er via Kronen ZeitungEin 2001 (unter Schwarz-Blau I) verordneter "geschlechtergerechte Sprachgebrauch" habe sich als nicht praxistauglich erwiesen. Sprachliche Gleichberechtigung der Geschlechter werde aber nicht prinzipiell abgelehnt. Wo sich eine Alltagstauglichkeit ergebe, würden Formulierungen wie "die Studierenden" verwendet, stellte Kunasek klar. 

Der Bezug auf die "gewachsene Struktur unserer Muttersprache" sei ein fadenscheiniges Argument, um die Gleichberechtigung aufzuhalten, reagierte Alexandra Wachter, stv. Vorsitzende des Frauennetzwerk Medien, auf Kunaseks Ankündigung. Ihr Verein hat Kunasek für seine Forderung kurzerhand das "rosa Handtascherl" verliehen. Eine "Auszeichnung für Personen des öffentlichen Lebens, deren Frauenbild von offensichtlichem Sexismus geprägt ist".

Kommentare