Klimawandel: "Leider ist es schon verdammt spät"

Gernot Wagner im Interview mit dem KURIER
Das Klima lässt sich nicht mehr ohne technologische Eingriffe retten, glaubt der Klimaökonom Gernot Wagner.

Gernot Wagner sagt Sätze wie: „Ja, es sterben bereits Menschen durch den Klimawandel.“ Oder: „Für Pessimismus ist es zu spät.“ Und: „Nein, es noch keine existenzielle Katastrophe, aber es hat Auswirkungen auf den Verlauf der nächsten hundert Jahre.“ Montagabend hielt der österreichische Experte für Geo-Engineering einen Vortrag mit dem Titel Von „Klimaschock“ zu Solar Geo-Engineering? an der Uni Wien. Der KURIER traf Wagner, der in Harvard lehrt, zum Interview.

KURIER: Die Universität Wien beschäftigt sich in einer Vortragsreihe gerade damit, wie wir das Klima retten können. Ja, wie?

Gernot Wagner: Leider ist es in Sachen Klimawandel schon verdammt spät. Wir befinden uns in einer Situation, in der wir technologische Eingriffe in Erwägung ziehen sollten. Eigentlich lautet die Frage einzig, wann wir es tun müssen. Ich beschäftige mich damit, ob es möglich ist, die globalen Temperaturen zu senken, indem man Vulkane imitiert. Wir wissen schon sehr lange, dass Vulkanausbrüche die Temperaturen senken. Vulkane schleudern nämlich Schmutz – kleinste Aerosole, Schwefeldioxid – in die Luft. Die verteilen sich innerhalb von ein, zwei Wochen global und in den kommenden sechs bis zwölf Monaten senken sich die Durchschnittstemperaturen weltweit. 1991 etwa ist auf den Philippinen der Pinatubo ausgebrochen, 1992 waren die Temperaturen um etwa ein halbes Grad niedriger als normal.

Ernsthaft? Das wollen Sie tun? Kann man diese Mechanismen wirklich steuern? Treiben Sie da nicht den Teufel mit dem Beelzebub aus?

Jein, es geht eigentlich darum, das Klima auf einen Stand zurückzuführen, wie es früher einmal war. Wir – die Weltbevölkerung – haben die Durchschnittstemperaturen in den vergangenen 150 Jahren um etwa ein Grad nach oben getrieben. Gleichzeitig weiß die Forschung, dass es möglich wäre, globale Temperaturen zu senken, indem man kleinste Teilchen in die Stratosphäre einbringt. Dazu gibt es Hunderte Studien. Aber sollen wir das tun? Die regionalen Auswirkungen, Dürren, Überflutungen, die kennen wir kaum. Der erste Schritt wäre sicherlich,

zu reduzieren; der zweite, das wieder aus der Atmosphäre herauszuholen. Und erst dann – darum geht es in unserem Forschungsprojekt in Harvard – stellen wir die Frage, ob es eventuell möglich sein könnte, kleinste Schritte zu setzten, um Temperaturen künstlich zu senken.

Das soll global geschehen?

Egal, wo auf der Welt man diese Teilchen einbringt, sie verteilen sich innerhalb von ein bis zwei Wochen global. Innerhalb von ein bis zwei Jahren verschwinden sie auch wieder. dagegen bleibt Tausende Jahre in der Atmosphäre. Die Risiken, einen winzigen Anteil Aerosole in die Stratosphäre einzubringen, sind tatsächlich um vieles geringer als das, was wir bereits unkontrolliert tun. Denn: Durch Luftverschmutzung töten wir zwischen drei und sechs Millionen Menschen jährlich.

Würden wir – abgesehen von sinkenden Temperaturen – etwas davon merken?

Nein, das sind zu geringe Mengen verglichen zu Vulkanausbrüchen. Weniger als ein Prozent der Sonnenstrahlung würde so ins All zurückreflektiert.

Es geht also darum, die Sonneneinstrahlung abzumildern?

Genau, es geht um ein etwas diffuseres Licht.

Hätten Sie freie Hand beim Klimaschutz, was würden Sie tun?

Das ist einfach: Wir bauchen einen -Preis, der jedem von uns – also allen sieben Milliarden Weltbürgern – signalisiert, dass Umweltverschmutzung auch etwas kostet. Ich zum Beispiel bin eben aus den USA nach Wien gekommen. Mein Flug – nicht der ganze Flieger – hat eine Tonne produziert. Jede Tonne verursacht mindestens 40 Euro an Kosten für die Gesellschaft. Etwa 300 Leute waren in dem Flugzeug. Und: Es gibt eine Milliarde Menschen, die jährlich in einen Flieger steigt. Sie sollte in Zukunft nicht nur für das Ticket, sondern auch die für die Umweltfolgeschäden aufkommen.

Zur Person

Gernot Wagner

Er selbst nennt sich einen „grünwählenden, radfahrenden Vegetarier“. Der Klimaökonom  ist Experte für Solar Geo-Engineering, untersucht also, mit welchen Maßnahmen mehr der einfallen-
den Sonnenstrahlung reflektiert werden kann. Der Autor des  Wissenschaftsbuches  2017 „Klimaschock“ wurde  in Amstetten geboren und forscht er an der Harvard University. Montagabend sprach er in Wien darüber, wie er unser Klima retten würde.

 

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