Der Menschenaffe und wir: Warum wir uns ähnlicher sind, als wir denken

Man weiß es natürlich nicht genau. Aber irgendwann vor sieben Millionen Jahren haben sich die Wege von Mensch und Schimpanse getrennt. Das klingt nach einem langen Zeitraum, aber betrachtet man den Stammbaum von Mensch und Menschenaffe generell, ist uns keiner näher. Die Linie der Gorillas zweigte bereits vor rund 10 Millionen Jahren ab, jene der Orang-Utans vor 15 Millionen Jahren.
Knapp 99 Prozent unseres Erbguts stimmt mit jenem der Schimpansen überein. Diese erstaunliche Ähnlichkeit war es auch, die die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall zeitlebens faszinierte. Denn ein Vergleich sagt einiges darüber aus, was Menschsein überhaupt ausmacht.

Goodall, die am Mittwoch 91-jährig verstarb, widerlegte einige Irrtümer über Schimpansen. „Im Verlauf der Zeit wurde etwa behauptet, dass Schimpansen keine Gefühle haben oder nicht denken können. Viele dieser Vorurteile beruhten auf verzerrten Beobachtungen in Gefangenschaft“, sagt Volker Sommer, Professor für Evolutionäre Anthropologie am University College London.
Sie entdeckte aber, dass sie Werkzeuge benutzen – etwa kleine Zweige, um Termiten aus Bauten zu holen. Davor wurde dies nur dem Menschen zugeschrieben.
Die Tiere haben individuelle Persönlichkeiten und zeigen Emotionen wie Wut, Trauer, Freude und Angst.
Hinzu kommen komplexe soziale Strukturen: Die Rollen innerhalb der Schimpansen-Gruppen sind klar verteilt. Es gibt Freundschaften, Allianzen, Machtkämpfe. Und Schimpansen führen Krieg, wie Goodall beobachtete. In den 1970er-Jahren bekämpften sich zwei Gruppen gewaltsam – kalkuliert und über mehrere Jahre hinweg.
„Diese Ähnlichkeiten müssen eigentlich nicht verwundern, da die Evolution keine Sprünge macht, sondern sich in fließenden Übergängen manifestiert“, sagt Sommer.

Auch ihre Gedächtnisleistung bringt Erstaunliches hervor und kann jene des Menschen sogar übertrumpfen. In einem Experiment sah ein Schimpanse eine halbe Sekunde lang Zahlen in unterschiedlicher Reihenfolge auf einem Bildschirm. Dann verschwanden die Ziffern hinter kleinen Quadraten. Trotzdem gelang es dem Affen, die Symbole in richtiger Reihenfolge anzutippen.
Eine Frage des Gehirns
Die komplexe Wortsprache hingegen ist dem Menschen vorbehalten, die Kommunikation der Schimpansen beschränkt sich auf Laute, Mimik und Gestik.
Ebenso die Fähigkeit, abstrakt zu denken und Kulturen zu entwickeln. Das Gehirn des Menschen ist dreimal so groß.
Und nicht zu vergessen der aufrechte Gang, der uns das Leben am Boden erleichtert und zu allerlei anatomischen Unterschieden führt (siehe rechts).
Trotzdem scheint es so: Je mehr wir über den Menschenaffen erforschen, desto näher rückt er uns.
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