Zeitumstellung: Schlaf ist nicht das Problem

Frau steht in der herbstlichen Abendsonne
Jeder Fünfte fühlt sich durch die Tatsache im Dunklen zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen, beeinträchtigt. Wie man den Übergang von Sommer- in die Winterzeit bewältigt.

Ab Sonntag ticken die Uhren im Land wieder normal. In der Nacht auf 26. Oktober wird die Zeit um eine Stunde zurückgestellt. Heißt: eine Stunde mehr Schlaf. „Für unseren Körper ist das grundsätzlich die besser verträgliche Variante der Zeitumstellung“, weiß Petra Tontsch-Eder, Klinische Psychologin am Salzkammergut Klinikum in Gmunden. 

Auch wenn diese den Beginn der dunklen Zeit markiert, zeigen Untersuchungen, dass uns die Umstellung auf die Winterzeit leichter gelingt als jene im Frühjahr.  Schlaf ist also nicht das Problem. Das größere Übel ist der Lichtmangel, der mit der herbstlichen Umstellung einhergeht. Obwohl die Winterzeit anfangs das Tageslicht am Morgen etwas nach vorne verlagert, verkürzt sich insgesamt die gefühlte Tageslichtdauer im Alltag. 

Tageslicht ist jedoch entscheidend für guten Schlaf in der Nacht sowie Konzentration und Wachheit am Tag. Es steuert unsere innere Uhr, indem es die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin hemmt. Bei Dunkelheit wird Melatonin produziert, was Müdigkeit verursacht. „Eine Lichtstärke von mindestens 2.500 Lux – wie sie selbst an einem trüben Wintertag im Freien erreicht wird – ist notwendig, um die Melatoninproduktion vollständig zu unterdrücken und den Körper in den Wachzustand zu versetzen“, so die Expertin. 

Was man tun kann, wie lange der Körper braucht, um sich anzupassen und welche Strategien es in Familien mit unterschiedlichen Chronotypen gibt, hat Expertin Tontsch-Eder im Interview mit dem KURIER beantwortet. 

Wie lange dauert es im Durchschnitt, bis sich der menschliche Körper vollständig an die Winterzeit angepasst hat? 

Körperlich kann die Umstellung innerhalb eines bis weniger Tage verkraftet werden, die Umstellung auf die Sommerzeit bereitet größere Probleme. Besonders kleine Kinder, aber auch ältere Menschen, oder Menschen, die bereits unter Schlafstörungen leiden, reagieren sehr empfindlich auf die Zeitumstellung. Für kleine Kinder sind Regelmäßigkeiten und rhythmische Abläufe im Verhalten sehr wichtig, sie geben Halt und Sicherheit. Ältere Menschen leben häufig mehr nach ihren inneren Taktgebern und haben nicht selten ein geringeres Schlafbedürfnis.

Welche Rolle spielt Routine im Alltag bei der Bewältigung der Zeitumstellung?

Routinen zählen zu den sogenannten „exogenen“ Zeitgebern. Essenszeiten sind neben dem Tageslicht einer der wichtigsten exogenen Zeitgeber. Deshalb sind Änderungen bzw. Unregelmäßigkeiten beim Essen für die Entrhythmisierung ebenfalls von großer Bedeutung. Wird Regelmäßigkeit bei den Mahlzeiten eingehalten, kann dies zu einer Verbesserung der Schlafqualität führen. Eine Anpassung und Einhaltung von Routinen mit eventuellen Abendritualen – eine Tasse Tee, ein gutes Buch oder dieselbe Bettgehzeit kann zu einer leichteren Gewöhnung an die Zeitumstellung führen. Hilfreich kann sein, bereits einige Tage vorher, um 10 bis 30 min den Schlafrhythmus zu verändern, vor allem bei Kindern. 

Was raten sie Familien, in denen verschiedene Chronotypen aufeinandertreffen – etwa Frühaufsteher-Eltern und spätaktive Jugendliche?

Die Zeit der spätaktiven Jugendlichen ist eine vorübergehende. Wenn man sich an die eigene Jugendzeit zurückerinnert, hilft es vielleicht, etwas milder im Umgang mit dem Ausschlafbedürfnis der Jugendlichen zu sein, das sie ohnehin nur am Wochenende vollends ausleben können. Vielleicht findet sich ein Zeitfenster, in dem man ein gemeinsames Ritual – Abendessen, Spieleabend, Film schauen – zelebrieren kann. 

Kann sich der Chronotyp im Laufe des Lebens verändern? 

Ob man ein Morgen- oder Abendmensch ist, lässt sich nicht verändern, das ist genetisch angelegt und bildet sich bis zum 5. Lebensjahr vollends aus. Es handelt sich um den sogenannten endogenen Taktgeber. Man kann aber lernen, sich mit seinem Chronotyp, also Eule oder Lerche, zu arrangieren und die Phasen der besten Leistungsfähigkeit, wenn einem dies möglich ist, nutzen – morgens oder abends, beruflich oder privat.

Viele Menschen leiden im Herbst unter sogenannter „Wintermüdigkeit“ oder saisonaler Verstimmung. Ab wann spricht man tatsächlich von einer Winterdepression?

Laut Studien fühlt sich jeder 5. Mensch durch die Tatsache im Dunklen zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt. Viele reagieren mit vermehrter Müdigkeit, Antriebslosigkeit, bis hin zu leichter depressiver Verstimmung. Von einer Saisonalen affektiven Störung (SAD, Seasonal Affective Disorder) spricht man allerdings erst dann, wenn diese depressive Verstimmung in einem besonders starken Ausmaß, unveränderbar durch äußere Umstände und über einen Zeitraum von mehr als 14 Tagen anhält und mindestens 2 Winter in Folge auftritt, unterbrochen von einer depressionsfreien Phase im Sommerhalbjahr. 

Zusätzlich treten noch für Depressionen untypische neurovegetative Zeichen wie gesteigerter Appetit, vor allem auf Kohlenhydrate, Gewichtszunahme und Tagesmüdigkeit mit erhöhtem Schlafbedürfnis, auf. Die SAD ist eine Unterform der rezidivierenden depressiven Störung und sollte von Fachleuten diagnostiziert und behandelt werden. In der Allgemeinbevölkerung leiden derzeit 2 bis 4 Prozent unter einer SAD. 

Die Lichttherapie hat sich hier als evidenzbasierte Behandlung der saisonal abhängigen Depression etabliert. Sie wird seit ca. 40 Jahren medizinisch angewandt und führt bei Patienten mit einer SAD, teilweise in Kombination mit Antidepressiva, zu einer deutlichen Symptomverringerung.

Wie genau wirkt Tageslicht bzw. Tageslichtlampen?

Tageslicht ist einer der wichtigsten exogenen Taktgeber. Für guten Schlaf in der Nacht und Konzentrationsfähigkeit unter Tags spielt es eine große Rolle. Ab einer Lichtintensität von 2500 Lux, dies entspricht der Helligkeit an einem trüben Wintertag im Freien, wirkt das Tageslicht auf die innere Uhr und die Produktion des Hormons Melatonin wird vollkommen unterdrückt. Melatonin, das „Schlafhormon“, wird in Dunkelheit vom Körper produziert und ausgeschüttet. Wenn es in der finsteren Jahreszeit zu dunkel ist, bzw. wir uns kaum bis gar nicht im Freien aufhalten, wird weiterhin Melatonin produziert und wir bleiben auch tags­über müde. 

Wenn eine ausreichende Lichtexposition im Winter, durch frühen Arbeitsbeginn und Heimkommen im Dunklen nicht erreicht werden kann, kann eine Tageslichtlampe helfen. 

Die medizinisch optimale Dosis wären 10000 Lux, weißes Licht und eine Expositionsdauer von 30 Minuten im Abstand von 50 cm zum Gerät. Die Behandlung sollte morgens nach dem Aufwachen passieren. 

Kann es auch zu Nebenwirkungen kommen?

Als Nebenwirkungen werden gelegentlich trockene und schmerzhafte Augen, Kopfschmerzen oder Übelkeit berichtet. Bei Bipolaren Depressiven Störungen, (ohne begleitende phasenprophylaktische medikamentöse Behandlung) kann es zum Switch in eine Hypomanie kommen. Daher ist, eine ärztliche Begleitung empfehlenswert. Auch kann es durch tageszeitlich spätere Exposition zu Einschlafstörungen oder Schlaflosigkeit kommen.

Wie kann man die eigene Energie und Stimmung stabil halten?

Mit Sport sowie Bewegung generell und vor allem Aktivität im Freien - am besten vormittags, wenn möglich. Hier ist im Winter die Lichtintensität am höchsten. Auch das Pflegen von Sozialkontakten führt zu einer Verbesserung der Stimmungslage. 

Und, was auch entlastend wirken kann, ist, die eigenen Ansprüche zu reflektieren und gegebenenfalls etwas zurückzuschrauben. Unsere Energie, Leistungsfähigkeit und Stimmungslage ist, wie bei allen Säugetieren, jahreszeitlichen Schwankungen und rhythmischen Veränderungen unterworfen. Auch wenn uns die Leistungsgesellschaft und unsere eigenen Ansprüche, die wir auch durch Social Media haben, suggerieren, dass wir stets gleich viel leisten könnten: Menschen sind keine Maschinen. Wir könnten es uns auch einmal erlauben, etwas kürzerzutreten und uns dem winterlichen Rhythmus der Natur, mit mehr Zeit für Ruhe und Innenschau, anzugleichen.

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