Jährlicher Mini-Jetlag: Wem die Zeitumstellung besonders zu schaffen macht

Heute Nacht wird wieder an der Uhr gedreht: Um zwei Uhr rücken die Zeiger um eine Stunde vor auf drei Uhr – die Sommerzeit beginnt. Die Tage wirken dadurch länger und heller. Die Stunde weniger Schlaf sorgt bei vielen Menschen aber für gesundheitliche Belastungen. Denn: Die Umstellung bringt unseren Tag-Nacht-Rhythmus, die „innere Uhr“, durcheinander. „Wir machen einen Mini-Jetlag durch. Im Schnitt dauert die Anpassung an die Sommerzeit zwei bis drei Tage, bei manchen kann es aber auch länger dauern“, sagt Schlafmedizinerin und Neurologin Anna Heidbreder, stellvertretende Leiterin der Universitätsklinik für Neurologie des Kepler-Universitätsklinikums in Linz.
Anzeichen können etwa Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Gereiztheit und ein allgemeines Gefühl von Unwohlsein sein. Besonders in den ersten Tagen nach der Zeitumstellung fühlen sich viele Menschen müde und erschöpft, da sie eine Stunde weniger Schlaf bekommen.
Mehr Schlaganfälle, Herzinfarkte und Unfälle in den ersten drei Tagen
Studien zeigen etwa, dass Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Schlaganfälle und Herzinfarkte in den ersten drei Tagen nach der Umstellung leicht ansteigen, auch das Unfallrisiko im Straßenverkehr ist erhöht. Ursache dafür ist, dass sich der menschliche Köper am Tageslicht, an Schlaf- und Essenszeiten orientiert und Zeit braucht, um sich an veränderte Abläufe anzupassen. Besonders deutlich könnten sich die Auswirkungen der Zeitumstellung bei Abendmenschen zeigen, sogenannten „Eulen“. Die Chronotypen, ob wir also eher ein Tag- oder ein Nachtmensch sind, bestimmen den Takt unserer inneren Uhr. Dieser Rhythmus definiert etwa, wie leicht frühes Aufstehen fällt, ob man in der Arbeit eher vormittags oder abends leistungsfähig ist.
Ob Morgenmenschen, die „Lerchen“, schneller mit der Umstellung auf die Sommerzeit klarkommen und Spättypen größere Schwierigkeiten haben, sei zwar wahrscheinlich so, Daten gibt es dazu aber nicht. „Das ist bisher wenig untersucht, aber Spättypen sind insofern mehr betroffen, als sie ohnehin schon in ihrem Rhythmus verschoben sind und dann noch eine Stunde früher aufstehen müssen“, meint Heidbreder. Eulen neigen ohnehin dazu, abends länger wach zu bleiben und morgens schlecht aus dem Bett zu kommen. Die „fehlende“ Stunde der Sommerzeit kann das verschärfen, da die frühe Arbeits- oder Schulzeit noch stärker mit dem natürlichen Schlafbedürfnis kollidiert.
Das kann sich negativ auf die Leistungsfähigkeit, Stimmung und Gesundheit auswirken. „Morgenmenschen tun sich sehr wahrscheinlich mit der Zeitumstellung leichter. Kinder und Jugendliche, die Frühtypen sind, können unabhängig von der Zeitumstellung bessere Leistungen in der Schule bringen als jene, die Abendmenschen sind“, so Heidbreder.
Sonnenlicht unterstützt bei der Umstellung
Ob man eher eine Lerche oder eher eine Eule ist, könne man aber nicht aussuchen und auch nur schwer verschieben, meint die Schlafexpertin. „Der Chronotyp ist genetisch relativ stark verankert. Wenn man seinen Rhythmus verlagern möchte, muss man sich sehr diszipliniert an Vorgaben halten, sehr regelmäßig zu einem früheren Zeitpunkt ins Bett gehen und früher aufstehen.“ Der stärkste Zeitgeber für den Menschen sind die Lichtverhältnisse. Frühmorgens helles Sonnenlicht kann den Körper dabei unterstützen, sich schneller an den neuen Rhythmus zu gewöhnen, indem es die Produktion von Melatonin unterdrückt und den Tag-Nacht-Rhythmus angleicht. Nachtmenschen sollten morgens so viel Licht wie möglich aufnehmen, um ihre innere Uhr zu synchronisieren.
Lerchen könnten tendenziell eher von der Sommerzeit profitieren, da sie früh wach sind und die verlängerten hellen Abende als angenehm empfinden. Generell genießen viele Menschen die Vorteile längerer Abende im Sommer und sprechen sich im ewigen Streit um die Abschaffung der Zeitumstellung eher für die Beibehaltung der Sommerzeit aus. Auch das offizielle Österreich bevorzugt eine ständige Sommerzeit als Standardzeit. Heidbreder: „Die Sommerzeit ist nicht unsere normale Zeit und wäre vor allem im Winter problematisch für unseren Tag-Nacht-Rhythmus, da Helligkeit zur falschen Tageszeit da wäre. Ein aktuelles Positionspapier britischer Wissenschafter spricht sich explizit dafür aus, dass die Zeitumstellung abgeschafft wird und die Normalzeit, unsere Winterzeit, beibehalten werden soll.“
Dauerhafte Winterzeit entspricht dem Biorhythmus besser
Die dauerhafte Normalzeit würde dem natürlichen Tageslichtverlauf und dem menschlichen Biorhythmus besser entsprechen, während die dauerhafte Sommerzeit den Tag künstlich verlängern und vor allem Abendmenschen dauerhaft belasten würde. Eine wirklich relevante gesundheitliche Gefahr durch die Zeitumstellungen sei aber nicht zu erkennen. Der kurzfristige leichte Anstieg des Risikos für Unfälle oder Herzinfarkte zum Beispiel sei gering verglichen mit dem Einfluss zahlreicher anderer Faktoren.
Schon lange wird in Europa über die Abschaffung der Zeitumstellung diskutiert. 2018 sprachen sich in einer EU-weiten Online-Umfrage 84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmenden für ein Ende des Wechsels zwischen Sommer- und Winterzeit aus. Die gesundheitlichen Risiken, aber auch der geringe tatsächliche Nutzen in Sachen Energieeinsparung, werden als Hauptgründe genannt.
Trotz der breiten Zustimmung ist bisher keine Einigung darüber erzielt worden, welche Zeit dauerhaft gelten soll. Die EU-Kommission schlug vor, die Zeitumstellungen ganz abzuschaffen und den einzelnen Mitgliedstaaten die Entscheidung zu überlassen, ob sie dauerhaft Sommer- oder Winterzeit einführen. Doch aus vielen Ländern kamen Bedenken gegen diesen Plan, da unter anderem für die Wirtschaft eine einheitliche Zeitzone wünschenswert erscheint, zumindest in Mitteleuropa. Andernfalls könnten zwischenstaatliche Zeitunterschiede den Handelsverkehr beeinträchtigen. Große Hoffnung auf eine baldige Einigung gibt es nicht.
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